)
Forscher entdecken Teilchen in Festkörpern, die sich verhalten wie Elementarteilchen im Universum.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Ein internationales Forscherteam sagt ein neues Teilchen in Metallen vorher. Laut der Theorie hat das Typ 2 Weyl Fermion so etwas wie magische Eigenschaften. In einem magnetischen Feld werden Materialien, die es enthalten, entweder zu Isolatoren oder zu Leitern von elektrischem Strom - je nachdem, aus welcher Richtung der Strom fließt. Die federführenden US-Physiker der Universität Princeton sehen eine Reihe möglicher Anwendungen. Diese reichen von Geräten, die mit Niedrigenergie betrieben werden, bis zu hocheffizienten Transistoren, die sich ausschalten, sobald der Strom die Richtung wechselt.
"Das Typ 2 Weyl Fermion verhält sich in Festkörpern wie ein masseloses Teilchen im Universum. So wie ein Neutrino unterscheidet es zwischen rechts und links. Solche Materialien sind in mehrfacher Hinsicht spannend", erklärt Anton Rebhand, Professor für Theoretische Physik der Technischen Universität Wien.
Forscher entdecken in Labor-gezüchteten Kristallen immer mehr neue Festkörper-Teilchen. Das Team um Studienleiter Andrei Bernevig und seine Kollegen von der ETH Zürich argumentiert nun im Fachjournal "Nature", das neue Fermion existiere in einem Metall mit kristalliner Struktur namens Wolfram Ditellurid. Dieses enthalte gleich mehrere ungewöhnliche Teilchen, von denen manche unter normalen Umständen und andere nur unter speziellen Bedingungen existieren. Das Typ 2 Weyl Fermion ist mit dem Weyl Fermion verwandt - ein Standardteilchen in der Quantenfeldtheorie.
Ausgangspunkt der Forscher war ein fehlendes Teilchen in der Quantenfeldheorie. Als der deutsche Mathematiker und Physiker Hermann Weyl vor 85 Jahren begann, diese zu entwickeln, ließ er es aus, da seine Existenz einem fundamentalen Gesetz widersprochen hätte. Diese sogenannte Lorentz-Symmetrie, die hochenergetische Teilchen beschreibt, findet in Metallen keine Anwendung.
Die relativistische Quantenfeldtheorie kombiniert die Quantenmechanik mit Einsteins Relativitätstheorie. Ihr zufolge bestehen Festkörper aus Atomen, die aus von Elektronen umgebenen Kernen aufgebaut sind. Wegen der schieren Zahl von Elektronen, die im Festkörper miteinander reagieren, kann das Problem vieler Elektronenbewegungen mit der Quantenmechanik nicht gelöst werden. Die Materiewelt wird daher mit einer vereinfachten Theorie erklärt, die Elektronen in Festkörpern mit Hilfe spezieller "Quasi-Partikel", auch Fermionen genannt, beschreibt. Diese interagieren nicht, können sich aber im Feld geladener Teilchen bewegen. Fermionen sind die Elementarteilchen in Festkörpern. Auch die kristallinen Strukturen von Wolfram Ditellurid enthalten sie.
Die Wissenschafter wollen nun Experimente machen, um das neue Teilchen in möglichst vielen Metallen nachzuweisen. "Man kann seiner Fantasie freien Lauf lassen, wo es noch vorkommen könnte", so Bernevig: "Neben den Anwendungen ist die Frage, welche anderen Partikel sich in der unendlichen Vielfalt der Materie verstecken könnten, die wohl interessanteste."