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Das meistdiskutierte Kleidungsstück der Muslimin

Von Bernd Vasari

Politik
Ein "patriotisches" Workshop-Resultat.

Ausstellung "Kopftuchexperimente" als Ergebnis von drei Workshops.


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Wien. "Ich habe viel mit Leuten über das Kopftuch diskutiert, bis ich draufgekommen bin, dass ich noch mit keiner einzigen muslimischen Frau darüber gesprochen habe", sagt Renate Tanzberger vom "Verein zur Erarbeitung feministischer Erziehungs- und Unterrichtsmodelle" (EfEU). "Daraufhin haben wir 2009 den Workshop Kopftuchexperimente ins Leben gerufen, bei dem muslimische Frauen die Möglichkeit bekamen, darzustellen, welche Bedeutung das Kopftuch für sie hat."

Die Resultate des Workshops, aus dem dann drei wurden, kann man nun in der Bücherei Erdbergstraße in Wien besichtigen. 25 Musliminnen nahmen teil und bedruckten ihre Kopftücher mit Slogans wie etwa "Peace", "Don’t panic, I’m islamic", "Ja, das ist ein Tuch um meinen Kopf!" oder "Österreicherin". Es kam darüber hinaus zu einer Kooperation mit Christian Becker von der Akademie der Bildenden Künste, der die Workshops in seine Lehrveranstaltungen integrierte.

Dilek Yücel, eine der Teilnehmerinnen, hatte damals über die Homepage "Junge Musliminnen Österreich" vom Workshop erfahren und war sofort bereit, mitzumachen. Zwei Arbeiten mit den Titeln "Mein Kopf gehört mir" und "Values inside" wurden von ihr angefertigt. Gegenüber der "Wiener Zeitung" erklärt sie, wie es zu diesen Slogans kam: "Den Titel 'Mein Kopf gehört mir' habe ich deshalb gewählt, weil ich mich aus eigenen Stücken entschieden habe, ein Kopftuch zu tragen. Ich sehe es nicht als Symbol. Es ist das Kleidungsstück der muslimischen Frau. Mit 'Values inside' will ich zum Ausdruck bringen, dass ich mich nicht dem Modediktat unterwerfen möchte. Es geht mir um die inneren Werte."

Yücel trägt das Kopftuch, seitdem sie 19 Jahre alt ist. Davor hatte sie sich nicht getraut, ein Kopftuch zu tragen: "Viele Freundinnen von mir, die ein Kopftuch getragen haben, wurden in der Schule benachteiligt. Mit 19 hatte ich eine Art Selbstfindungstrip. Ich habe mich mit dem Islam auseinandergesetzt und wollte den Islam in seiner Gesamtheit leben. Das schließt mit ein, die Kleidungsvorschrift der muslimischen Frau umzusetzen." Die von ihr gestalteten Kopftücher trägt Dilek Yücel auch in ihrer Freizeit, vor allem beim Sport: "Ich kann nun mein selbst kreiertes Kopftuch nutzen, um meine Meinung sichtbar zu machen", sagt sie.

Lange Zeit hat man hauptsächlich über Migranten geredet, so die Politologin Leila Hadj-Abdou, Migrantinnen wurden nur als Anhängsel der Männer gesehen. "Heute dreht sich alles um Frauen. Vor allem muslimische Frauen werden aber noch immer nicht als selbst bestimmte Personen wahrgenommen. Die Debatten werden dabei auf das Kopftuch fokussiert."  Multikulturalismus und Feminismus würden sich grundsätzlich nicht widersprechen, betont die Politologin, vielmehr seien beide komplementäre Philosophien, die auf eine Gleichberechtigung in der Gesellschaft abzielen. Zurzeit stehe etwa das Phänomen des illiberalen Liberalismus diesem Anliegen entgegen: "Es werden liberale Werte hochgehalten, um Ausschluss zu legitimieren. Dies beobachten wir teilweise auch bei Gruppen, die sich zuvor nie für Gleichberechtigung der Geschlechter eingesetzt haben, wie rechtspopulistische Gruppen, konservative Parteien, aber auch bei Gruppen, denen Gleichberechtigung der Geschlechter in der Tat ein Anliegen ist, wie etwa Alice Schwarzer", so Hadj-Abdou.

www.efeu.or.at