Machiavellis Werk "Der Fürst" als Anleitung für Mächtige. |Die neuen Mächte des 21. Jahrhunderts.
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Wien. Was ist Macht im 21. Jahrhundert? "Die Ohnmacht. Die Ohnmacht des Politischen", antwortet Georg Hoffmann-Ostenhof, Redakteur bei Profil. Im Rahmen einer Veranstaltung im Wirtschaftsmuseum Wien sprechen Experten über die Bedeutung von Macht. Patrick Horvath, Sozialwissenschaftler, benennt sie als das, was sie für ihn schon immer war – nämlich Verantwortung.
"Macht ist ein politisch-soziologischer Grundbegriff, der für Abhängigkeits- und Überlegenheitsverhältnisse steht", definiert Erwin Lanc, ehemaliger österreichischer Außenminister, den Begriff. Und Max Weber, deutscher Soziologe, sagte einst: "Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht."
Heute üben Staaten, Personen oder Parteien Macht aus. Um Machtmissbrauch zu verhindern erfolgten Maßnahmen wie Gewaltenteilung, zeitliche Begrenzung des Mandats für Politiker oder Gewährleistung der Gegenmacht.
Früher manifestierte sich Macht in Personen, in Fürsten, Königen oder Päpsten. Niccolò Machiavelli publizierte 1513 "Der Fürst", eine Schrift über die politischen Vorgänge der damaligen Zeit. Der Text – seit jeher umstritten – gilt noch heute als eine Art Anleitung zur Machtausübung.
Missverständnisse blieben nicht aus: Benito Mussolini, ein Verehrer Machiavellis, versuchte mit dem Werk "Der Fürst" den Faschismus zu legitimieren. Dieser Versuch zeigt jedoch eine oberflächliche Lektüre des Textes: "Machiavelli ist ein Befürworter des Tyrannenmordes, ein Befürworter der republikanischen Staatsform", stellt Horvath klar.
Veränderung der Machtverhältnisse
Im 21. Jahrhundert haben sich die Machtverhältnisse geändert. "Das Militärische hat als ein Element der Machtausübung verloren. In der heutigen Zeit haben wir die wenigsten Kriege in der gesamten Menschheit: Wenn es Gewalt gibt, sind es vor allem Kriege innerhalb von Staaten, nicht zwischen Staaten", so Hoffmann-Ostenhof. Tatsächlich wird die so genannte soft power immer wichtiger; daher die Überredungskunst oder die ideologische Erziehung. Die Unterscheidung zwischen soft power und hard power – der militärischen und wirtschaftlichen Macht – stammt von Joseph Nye, einem amerikanischen Politologen der Gegenwart. Aber bereits Machiavelli hatte nicht nur moralische Überlegungen, sondern auch Aspekte der weichen Form von Macht, sagt Horvath.
Neben den Staatlichen sind neue Mächte aufgetaucht. Informations- und Kommunikationskanäle sind in private Hände gekommen. Sie haben die Politik korrumpiert. Die FOX Kanäle in den USA waren und sind Unterstützer der politisch-rechtsliberalen Tea Party. "Die Beiträge zumeist greiser Leserbriefschreiber in der österreichischen Krone sind im Vergleich dazu geradezu ein liberaler Jungbrunnen", äußert sich Lanc.
Zudem ist die internationale Wirtschaft als Element der Macht stärker geworden. Die Politik hinkt hinterher. Sie bleibt – im Gegensatz zum Rest – national. Und der Nationalstaat wird immer schwächer. "Die internationale Politik war bisher nicht fähig der Globalisierung Regeln zu geben, die es möglich machen, das unter Kontrolle zu bringen und zu zügeln", so Hoffmann-Ostenhof.
Lanc fordert einen verstärkten Aufbau internationaler Rechtsordnung und Verfolgung von Straftätern. Seiner Ansicht nach reichen die nationalen Institutionen nicht mehr aus – nicht einmal die kürzlich errichteten Institutionen der europäischen Union. "Weg von den Staaten, hin zu den internationalen, transnationalen Formen nichtpolitischer Akteure", beschreibt Hoffmann-Ostenhof die Entwicklung. Und führt als Beispiel Terrorismus und NGOs an. Die so genannte Politikverdrossenheit wird aber vergehen: "Eine Art Aktionismus wird entstehen. Nach langen Jahren des Zurückdrängens der Politik werden wir eine Renaissance der Politik erleben."
Für Hoffmann-Ostenhof befindet sich die Welt in einer Wende: Die Macht verschiebt sich von Europa und Amerika nach Asien. Aber das ist nicht neu: "Ungefähr bis zum Jahr 1800 war der Osten dem Westen überlegen." Damit ist es eine Rückkehr zu dem Zustand, der bereits vor Jahrhunderten herrschte."
Im 21. Jahrhundert wird ein wesentlicher Teil der Macht durch Wissen ausgeübt. Und es ist das erste Mal in der Weltgeschichte, dass das Monopol des Wissens der Mächtigen gebrochen ist. "Heute kann jeder faktisch alles und faktisch umsonst wissen", sagt Hoffmann-Ostenhof.
Das Kräfteverhältnis zwischen Menschen und Mächtigen verändert sich. Für ihn ist die erste Konsequenz: Diktaturen fallen. Dies zeigen die vergangenen Jahrzehnte, wobei China eine Ausnahme darstelle. Und gerade jetzt geschehe dies im arabischen Raum, so Hoffmann-Ostenhof. Das Ende sei nicht vorherzusehen: "Nach Gutenberg und der Erfindung des Buchdrucks hat die Renaissance stattgefunden. Nach Internet und Twitter wird es etwas ähnlich Gewaltiges geben. Was das ist, bleibt abzuwarten."