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Das Misstrauen ist groß

Von Arian Faal

Politik

US-Republikaner glauben an ein Täuschungsmanöver Teherans.


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Teheran/Wien. "Alles ist in Ordnung, sämtliche Bedingungen sind vom Iran erfüllt worden", sagte ein westlicher Diplomat sichtlich zufrieden. Viele Beobachter sprachen von einem Wunder, denn nach zehn Jahren tritt der Atomstreit zwischen dem Westen und der iranischen Führung in eine neue Phase. Am Montag trat das Genfer Interimsabkommen, das am 24. November beschlossen wurde (siehe Kasten), in Kraft. Die Islamische Republik hat bereits vereinbarungsgemäß erste Schritte unternommen, um ihr Nuklearprogramm zu begrenzen. Gleichzeitig wurde von den EU-Außenministern eine teilweise Aufhebung der Iran-Sanktionen beschlossen.

Die Erleichterung stand den westlichen Diplomaten ins Gesicht geschrieben, als sie bestätigten, dass die Inspektoren der
Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) sich vor Ort davon überzeugt hätten, dass der Iran bereits Schritte unternommen hätte, die die Reduktion seiner Urananreicherungsaktivitäten auf fünf Prozent ermöglichen. Das
Interimsabkommen zwischen
den fünf UN-Vetomächten plus Deutschland (5+1-Gruppe) und dem Iran gilt zunächst für sechs Monate und soll letztlich den Weg für eine endgültige Lösung ebnen. Der Westen will, dass der Golfstaat jegliche Sorgen bezüglich einer militärischen Nutzung seines Atomprogramms ausräumt.

"Im Grunde genommen ist es doch so, dass dieser Atom-Deal das Schönste ist, was dem Iran hat passieren können", sagt ein westlicher Diplomat, der nicht beim Namen genannt werden will, zur "Wiener Zeitung". Die iranische Führung gebe ihr Atomprogramm nicht auf, sondern stelle es nur einmal kurz in den Kasten, um es bei Bedarf wieder herausholen zu können. "Im Gegenzug öffnet das internationale Wirtschaftsparkett wieder seine Pforten für Teheran", sagt der Diplomat. Andere westliche Staatenvertreter äußerten "Zweckoptimismus".

Obama "ohne Illusionen"

Summa summarum ist das Misstrauen auf beiden Seiten groß. Bestes Beispiel dafür ist die Reaktion von US-Präsident Barack Obama auf die Übergangslösung. Der Vertrag sei zwar ein "konkreter Fortschritt", doch er habe "keine Illusionen darüber, wie schwer es sein wird, diese Ziele zu erreichen".

Obama weiß, dass ihm der Kongress bei seiner "sanften Iran-Politik" einen dicken Strich durch die Rechnung machen könnte. Schon 59 von 100 Senatoren sind für neue Sanktionen gegen Teheran. Das bedeutet, dass nur noch eine Stimme fehlt, um ein Gesetz durchzubringen. Weil ein neues Sanktionenpaket es auch sicher durch das Repräsentantenhaus schaffen würde, zog Obama im Vorfeld die Notbremse und drohte mit einem Veto. Damit begibt er sich auf dünnes Eis, denn die republikanischen Hardliner prahlen damit, dass sie bereits die nötigen 67 Stimmen im Senat hätten, um das Präsidenten-Veto zu brechen. Ihr Argument: Die ganze Sache ist wieder nur ein Täuschungsmanöver des schiitischen Gottesstaates.

Während die Republikaner am guten Willen der Perser zweifeln, sehen US-Wirtschaftsexperten die iranische Wirtschaft dank der sich anbahnenden Entspannung bereits in einer Phase der Stabilisierung. Die Daten sähen so gut aus, dass Teheran vielleicht bald gar nicht mehr jenen Druck verspüre, verhandeln zu müssen.

Jedenfalls sind sich sowohl diese Experten als auch politische Beobachter einig, dass es einen großen Nutznießer dieser Entwicklungen gibt: die iranische Führung. Der gesamte innere Machtzirkel demonstrierte am Montag Stärke und lobte die "Erfolge der iranischen Verhandler". Allen voran ließen es sich der Oberste Geistliche Führer, Ayatollah Seyed Ali Khamenei, und der zweitmächtigste Mann und Chef des Schlichtungsrates, Ayatollah Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani, nicht nehmen, Präsident Hassan Rohani und seinem Team zu gratulieren.

Blick auf endgültige Lösung

Bereits einen Schritt weiter in Richtung Zukunft geht Rafsanjani. Der Ex-Präsident will rasch eine endgültige Lösung in dem seit zehn Jahren andauernden Atomstreit. Bei einer Konferenz in Teheran gab er sich optimistisch. "Der Iran ist bereit, vertrauensbildende Maßnahmen zu setzen, wenn der Westen weiter Schritte macht, unser Vertrauen wiederzuerlangen", erklärte der 79-Jährige.

Die mutigen Schritte der Regierung hätten dem Land schon viel weitergeholfen, bilanzierte er. Sollte der Westen die Absicht demonstrieren, den Atomstreit auf freundliche Art und Weise zu lösen, sei es nicht notwendig, den Prozess unnötig zu verlängern. "Dann kann rasch eine endgültige Lösung gefunden werden, und das wünsche ich mir", so Rafsanjani.

Der Ex-Präsident nutzte auch die Gelegenheit, die iranische Position darzulegen. Er verwies auf eine Fatwa (islamisches Rechtsgutachten, Anm.) Khameneis, der zufolge Herstellung und Verwendung von Atomwaffen verboten und eine Sünde seien. "Die IAEO-Inspektoren haben einen leichten Zugang zu unseren Anlagen. Wir haben nichts zu verbergen."

Interims-Deal zwischen dem Westen und Iran

(af) Am Montag trat das Interimsabkommen zwischen den fünf UN-Vetomächten (USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien) plus Deutschland und dem Iran in Kraft.

Der Iran muss folgende Punkte erfüllen:

  • Der Gesamtvorrat an dem bis zu 20 Prozent angereicherten Uran (rund 196 Kilogramm) muss auf unter fünf Prozent abgeschwächt werden.

  • Stopp der Urananreicherung über fünf Prozent.

  • Die UN-Inspektoren haben täglich Zugang zu den Anlagen in Fordo und Natanz, es werden keine weiteren Anlagen gebaut.

  • Keine Installation beziehungsweise kein Bau von neuen Zentrifugen; Forschung und Entwicklung ist aber weiterhin gestattet.

  • Der Schwerwasserreaktor Arak, in dem als Nebenprodukt Plutonium anfallen könnte, darf nicht in Betrieb gehen - auch die Entwicklungsarbeit wird dort stillgelegt. Die Inspektoren bekommen monatlichen Zutritt. Informationen zum Technologie-Stand des Reaktors sind an die UNO zu übergeben.

Der Iran erhält dafür:

  • Insgesamt bekommt die Islamische Republik ein Paket an Erleichterungen der schmerzhaften westlichen Wirtschaftssanktionen. Der Grad der Lockerung hängt von der Kooperation des Iran bei der Umsetzung des Abkommens ab. Hauptsanktionen auf Ölverkäufe und Finanztransaktionen bleiben aber aufrecht.

  • Eingefrorene Öleinnahmen in Höhe von ungefähr drei Milliarden Euro werden schrittweise freigegeben.

  • Teile der Banksanktionen für Einfuhr insbesondere von Medikamenten und Nahrungsmitteln werden aufgehoben.

  • Sanktionen bezüglich Versicherungen für die Wirtschaft, auch von Öltankern, werden getilgt.

  • Der Iran kann wieder Ersatzteile für Flugzeuge kaufen, mit Gold handeln sowie Kraftfahrzeuge und Ersatzteile importieren.

  • Sanktionen in der petrochemischen Industrie werden aufgehoben.

  • Die UNO und die EU beschließen für sechs Monate keine nuklearbezogenen Strafmaßnahmen gegen Teherans Führung.