Zum Hauptinhalt springen

"Das Modell ist vage"

Von Daniel Bischof

Politik

Verfassungsrechtler zum Ausbau der direkten Demokratie.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Die Stärkung der direkten Demokratie: Es war ein Thema, mit dem vor allem die Freiheitlichen im Nationalratswahlkampf hausieren gingen. Sobald vier Prozent der Wahlberechtigten ein Volksbegehren unterzeichnen, soll es zu einer verpflichtenden Volksabstimmung kommen, so die damalige FPÖ-Forderung. Im schwarz-blauen Regierungsprogramm sind die Hürden nun wesentlich höher.

Eine Volksabstimmung soll es erst geben, wenn 900.000 Menschen - rund 14 Prozent der Wahlberechtigten - das Begehren unterzeichnen. Abgestimmt soll auch nur dann werden, wenn das Parlament das Begehren nicht innerhalb eines Jahres entsprechend umsetzt. Für Franz Merli, Professor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien, gibt es noch jede Menge Unklarheiten: "Das Modell ist vage. Wann setzt das Parlament das Begehren etwa nicht entsprechend um? Wenn es eine Bestimmung auslässt oder nur die Hälfte davon beschließt? Wer entscheidet darüber? Der Initiator des Begehrens?"

Geplant ist, dass Volksabstimmungen vorab vom Verfassungsgerichtshof auf grund-, völker- und europarechtliche Verpflichtungen kontrolliert werden. Über die EU-Mitgliedschaft Österreichs darf nicht abgestimmt werden. Merli hält eine Themenbeschränkung und eine gerichtliche Vorprüfung für richtige Ansätze, aber schwierig umsetzen: "Der VfGH braucht bereits jetzt monatelang, um Gesetze auf grundrechtliche Vorgaben zu prüfen. Oft wird ihm erst bei der Anwendungsprüfung klar, ob ein Gesetz verfassungsrechtlich bedenklich ist."

Beschlossen werden soll das "900.000-Modell" erst 2022. Fraglich ist, ob Schwarz-Blau die dafür nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament erhält. Falls sie diese nicht bekommt, will die Regierung eine - nicht-bindende - Volksbefragung abhalten. "Dann braucht sie aber immer noch eine Verfassungsmehrheit, um es umzusetzen", erklärt Merli.

"Kosmetische Korrekturen"

Weiters findet sich im Regierungsprogramm auch das Bekenntnis, "Volksbegehren weiterzuentwickeln". So sollen Begehren mit mehr als 100.000 Unterstützern künftig in eigenen Ausschüssen und Plenen behandelt werden. Dem Einbringer des Begehrens wird im Nationalrat zudem ein Rederecht gewährt. "Auch wenn sie durchaus sinnvoll sind: Es handelt sich eher um kosmetische Korrekturen", sagt Merli. Der Verfassungsrechtler vermisst im Programm zudem den Plan, Volksbegehren künftig transparenter zu machen. So solle klargestellt werden, wer die Initiative finanziere und betreibe.

Die benötige Verfassungsmehrheit könnte Schwarz-Blau durch die SPÖ oder Neos erhalten. Bei der SPÖ verweist man darauf, dass das 900.000-Modell in so weiter Ferne liege, dass man es nicht kommentieren möchte. Die restlichen Vorschläge seien bereits seit einer parlamentarischen Enquete bekannt. "Dass die Volksbegehren in der parlamentarischen Arbeit aufgewertet werden müssen: Da stehen wir absolut dahinter", meint Neos-Vorsitzender Matthias Strolz. Das 900.000-Modell hält er hingegen für nicht praktikabel. Die Hürde sei zu hoch. Auch brauche es etwa mehr Transparenz in Finanzierungsfragen.