Venetien und die Lombardei lassen ihre Bürger über mehr Autonomie abstimmen. Die Lega Nord hofft auf Rückenwind für die Wahl 2018.
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Rom. Am 22. Oktober 1866 stimmte die Bevölkerung Venetiens mit überwältigender Mehrheit für den Anschluss an das damalige Königreich Italien. An diesem Sonntag, exakt 151 Jahre später, könnte sich die italienische Region Venetien hingegen ein Stück weit von der Republik Italien emanzipieren. Das ist zumindest die Hoffnung von Luca Zaia, dem Gouverneur der Region, der das Referendum zusammen mit seinem Kollegen Roberto Maroni in der Lombardei für den historischen Tag angesetzt hat. "Die Geschichte bietet uns ein unbeschriebenes Blatt. Nun liegt es an uns, es zu beschreiben", sagte Zaia pathetisch. Sezessionsbewegungen in Europa haben Konjunktur, wie am Beispiel Katalonien zu sehen ist.
Mit der Kraftprobe zwischen Madrid und Barcelona haben die beiden Abstimmungen in Venetien und der Lombardei jedoch nur wenig gemeinsam, denn es geht um mehr Autonomie und nicht um Unabhängigkeit.
Unverbindliche Fragen
Die Sorge, die Referenden könnten letztendlich einen institutionellen Konflikt wie in Katalonien auslösen, versuchten die Initiatoren im Vorfeld zu zerstreuen. "Wir fordern nur vom Gesetz vorgesehene Kompetenzen und machen nichts Subversives, Gesellschaftszersetzendes oder Illegales", versicherte Gouverneur Zaia. Venetien scheiterte 2015 mit dem Versuch, eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit anzusetzen. Das italienische Verfassungsgericht kassierte ein entsprechendes Gesetz und untersagte zudem eine Volksbefragung über eine größere steuerliche Autonomie. Die beiden Regionen beließen es deshalb bei den unverbindlichen Fragen und setzten sich nicht über das höchstrichterliche Urteil hinweg.
Konkret geht es für Venetien und die Lombardei vor allem um mehr gesetzgeberischen Spielraum auf den Gebieten Bildung, Umwelt, Infrastruktur, Justiz und Kultur. Die Ankündigung der Initiatoren, dass die Regionen bei einem Sieg der Befürworter mehr finanziellen Spielraum bekommen, ist keineswegs garantiert. Die italienische Verfassung sieht für die 15 Regionen mit normalem Statut das Recht vor, einen Verhandlungsprozess für mehr Autonomie mit der Zentralregierung in Gang zu bringen. Die fünf autonomen Regionen, darunter Südtirol, haben bereits sehr weitgehende Rechte. Rom kann sich gegen die Forderungen wehren, am Ende müssten beide Parlamentskammern den Kompromiss bestätigen.
Vorwahlgeplänkel?
Eine Volksbefragung ist für diesen Prozess nicht notwendig, die Referenden sind aus rechtlicher Sicht irrelevant. Es stellt sich also die Frage, warum Zaia und Maroni die Referenden dennoch angesetzt haben. Beide gehören der Lega Nord an, einer Partei, die sich früher explizit für die Loslösung "Padaniens" von Italien aussprach, inzwischen italienweit zu operieren versucht und mit ihrer Kritik am schwerfälligen Staatsapparat bis heute Konsens erzielt.
Ein positives Ergebnis der Befragungen könnte nicht nur den Autonomiebestrebungen, sondern auch den Karrieren der beiden Gouverneure sowie der Lega Nord im Wahljahr 2018 zusätzlichen Schub verleihen, so das Kalkül. Ganz ungefährlich sind die Volksbefragungen für Zaia und Maroni allerdings nicht. Sollte die Wahlbeteiligung bei unter 50 Prozent bleiben, wären die Schuldigen für die Blamage schnell ausgemacht.