Flaschenhals auf der Brennerstrecke wird sich wohl nur verlagern. | ÖBB beschließen Finanzierung des Mega-Projekts. | Italien könnte bei Errichtung der Zulaufstrecke das Geld ausgehen. | Wien. Die Errichtung des Brennertunnels in Tirol dürfte die Verkehrsprobleme lediglich verlagern. "Das Nadelöhr im Schienengüterverkehr verschiebt sich sozusagen nur auf die Zulaufstrecken", sagt Verkehrsökonom Sebastian Kummer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
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Die Kosten für die südliche Zulaufstrecke schätzt der Experte auf sieben bis zehn Milliarden Euro, die in den Kosten des Brennerbasistunnels (BBT) derzeit nicht vorkommen. Der BBT selbst wird von Kummer auf mindestens zehn Milliarden Euro taxiert, laut den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) sind es rund acht Milliarden Euro.
Kritiker des Mega-Schienenprojekts wie der Obmann des Transitforums Tirol-Austria, Fritz Gurgiser, fordern zum wiederholten Mal, dass Österreich zuerst die Rahmenbedingungen für den BBT fixieren müsse. Die Argumentation lautet: Wenn es keine mit der EU abgesprochene Verlagerung von der Straße auf die Schiene gibt, zielt das Brennerprojekt ins Leere. Und: Österreich hätte sich zuerst den Bau der Zulaufstrecken in Italien und Deutschland zusagen lassen sollen.
Verhandlungen mit Deutschland "parallel"
Beim Infrastrukturministerium hingegen sieht man die Sache nicht derart streng an eine Reihenfolge gebunden. Die Gespräche mit den Nachbarländern über die Zulaufstrecken "erfolgen parallel" zu den Fortschritten beim BBT selbst, war vom Ministerium zu erfahren. Die Befürchtung, dass Österreich mit einem fertigen Tunnel ohne die erforderlichen Zusatzstrecken davor und danach übrig bleibt, teilt das Ministerium nicht.
Im Gegenteil: Die jüngst getroffene Vereinbarung mit dem deutschen Verkehrsminister Peter Ramsauer sei ein Schritt vorwärts, heißt es aus dem Infrastrukturministerium. Die deutsche Strecke München-Rosenheim-Kiefersfelden soll bis 2026 "bedarfsgerecht ausgebaut sein", heißt es in der gemeinsamen Erklärung von Ramsauer und Infrastrukturministerin Doris Bures. Ein eigenes "Ressortabkommen" werde gegenwärtig vorbereitet.
In Fachkreisen gilt jedoch viel eher Italien als ein Wackelkandidat. So verweist Kummer auf die - im Vergleich zu Deutschland - deutlich angespanntere Lage der Staatsfinanzen in Österreichs südlichem Nachbarland. Zudem stelle sich die technische Realisierung der Strecke von Franzensfeste - dem künftigen südlichen Portal des BBT - bis Verona weitaus schwieriger dar als jene in Deutschland.
Für die reine Finanzierung stünde jedenfalls die Europäische Investmentbank (EIB) bereit. Bei der Zulaufstrecke in Österreich - zwischen Kundl/Radfeld und Baumkirchen im Tiroler Unterinntal - war die EIB mit 200 Millionen Euro bereits mit von der Partie. Weitere Anträge Österreichs gibt es der EIB zufolge derzeit noch nicht.
Die ÖBB fassten Mittwoch entscheidende Beschlüsse zur Finanzierung des BBT. Auch der Anteil des Landes Tirol von 25 Prozent an der Errichtungsgesellschaft BBT SE geht an die ÖBB, die damit in einer Hand den Hälfte-Anteil Österreichs an der BBT SE vereint (siehe Grafik). Die Beschlüsse betreffen zum Großteil Erkundungen, aber auch Arbeiten, die im Bereich des Hauptstollens ausgeführt werden.