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Das Nahost-Dilemma der CIA

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Der US-Geheimdienst steht vor dem Problem, dass ihm die Welt der jugendlichen Demonstranten in Ägypten fremd ist.


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Liaison - diesen Begriff verwendet die CIA für ihre Kontakte zu ausländischen Geheimdiensten. Und in arabischen Hauptstädten wie Tunis, Kairo und Amman funktionieren diese Beziehungen mittlerweile tatsächlich so verführerisch gut, dass die CIA zu wenig Zeit mit eigenen unilateralen Aktionen verbringt, um herauszufinden, was sich sonst noch im jeweiligen Gastland abspielt. Diese knifflige Aufgabe, mit Gastgebern zu kooperieren und sie zugleich auszuspionieren, ist eine der Schwierigkeiten, mit denen die CIA konfrontiert ist, wenn sie die Jugend-Demonstrationen, die sich in Nahost ausbreiten, richtig deuten will.

Die CIA hat vor allem ihre Beziehungen zu Leuten wie General Omar Suleiman, Ägyptens Geheimdienstchef und Vizepräsidenten, gepflegt. Viel weniger versteht sie hingegen von der Welt der Demonstranten. Es ist eine heimtückische Falle für Geheimdienste, besonders seit einem Jahrzehnt, seit die ganze Konzentration der CIA der Terrorabwehr gilt: Einerseits ist sie auf gute Beziehungen zu arabischen Geheimdiensten angewiesen, um mehr über Al-Kaida zu erfahren, andererseits muss sie aber, um diese Beziehungen nicht zu gefährden, manchmal auf jede Spionagetätigkeit dem Gastland gegenüber verzichten.

"Wir haben uns immer mehr zurückgezogen und uns ganz auf unsere Beziehungen verlassen, die uns über alle Vorgänge informieren sollten", meint ein früherer Postenkommandant, ein Veteran der Nahost-Division der CIA. Diese war einst die selbstbewussteste CIA-Abteilung, die mit jedem einzelnen Händler in der arabischen Welt in Kontakt zu stehen schien.

Ein altgedienter Mitarbeiter erinnert sich, wie die Nahost-Offiziere stolz den Rekruten einschärften: "Wir sind die Elite. Wir haben die wichtigsten Aufgaben." Damals hatte die CIA noch Aufwind. Und in einer Stadt wie Beirut wurden Politiker nicht ernst genommen, wenn sie keine Kontakte zur CIA hatten.

Aber dieser Elite-Status verlor sich allmählich, denn nicht nur die eigenen Aufgaben waren wichtig, sondern zunehmend auch die Beziehungspartner, bald konnten sich ambitionierte Offiziere gespannte Beziehungen zu lokalen Gastgebern nicht mehr leisten.

Akut wurde dieses Problem der Abhängigkeit nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, als die CIA viele hundert Millionen Dollar ausgab, um befreundete Geheimdienste zu unterstützen, vor allem unter autoritären, pro-amerikanischen Regimen wie Tunesien, Ägypten, Jordanien, Jemen und Pakistan, also in jenen Ländern, die nun von Protesten erschüttert werden.

Die moderne Kommunikationstechnologie unterstützt zwar das Spionieren, sie nimmt Postenkommandanten aber auch an die elektronische Leine, indem sie andere Kontakte beschränkt. Ein Chef einer Nahost-Division sandte so viele pingelige Nachrichten an Untergebene, dass man ihn nur noch den Mailman nannte.

Zur Unterstützung der CIA bestehen manche darauf, dass die Anforderungen der Beziehungs- und der unilateralen Aktionen sehr wohl unter einen Hut zu bringen sind: "Gehen und gleichzeitig Kaugummi kauen", wie es ein höherer CIA-Beamter formuliert.

Die CIA sitzt in einer Patsche, die kennzeichnend für die Probleme der USA in Nahost ist: Sie hat sich so sehr auf den Kampf gegen Al-Kaida konzentriert, dass sie dabei andere Themen aus den Augen verloren hat. Die USA brauchen aber gute Geheimdienstinformationen heute mehr denn je.

Übersetzung: Redaktion Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post". Originalfassung