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Das Nein zum Vertrag ist keine Lösung

Von Hannes Swoboda

Gastkommentare

Der freiheitliche EU-Abgeordnete Andreas Mölzer plädierte gestern an dieser Stelle für einen Verbund solidarischer europäischer Nationalstaaten anstelle weiterer Integrationsschritte durch den Vertrag von Lissabon. Die Erwartungshaltung an die EU müsste jedoch drastisch heruntergeschraubt werden. Ein solches Europa als loser Verbund könnte bei der notwendigen Lösung der uns betreffenden globalen Probleme keinerlei Hebelwirkung entfalten.


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Nationalistische Konzepte sind nicht auf europäische Politik anwendbar. So ist die EU-weite Rechtsaußen-Fraktion "Identität, Tradition, Souveränität" im Europäischen Parlament, die von Andreas Mölzer mitbegründet wurde, nach nur wenigen Monaten Bestand aufgrund nationalistischer Widersprüche implodiert - und damit kein gutes Beispiel für die EU.

Klimawandel oder Zuwanderung sind aktuelle Herausforderungen, die nur gemeinsam gelöst werden können. Nationale Sicherheitspolitiken oder Terrorismusbekämpfung müssen in eine gemeinsame Außen- und EU-Sicherheitspolitik eingebettet sein. Und bei der Sozialpolitik brauchen wir EU-weite Mindeststandards. Der Lissabon-Vertrag ersetzt keine konkrete Politik, er schafft aber die Basis für eine enger abgestimmte Vorgangsweise der EU.

Leider schafft es die Union nicht, diese Aufgabe der EU zu vermitteln. Im Gegenteil erleben viele Bürger die EU als bürokratisches Gebilde, das sie mit immer neuen Regelungen drangsaliert. "Brüssel" steht so weniger für seine Schutzfunktion, als vielmehr für eine Bedrohung der gewohnten Lebensweise. Kommission, Ministerrat und Europäisches Parlament müssen dieses Negativ-Image durch konkrete politische Erfolge überwinden.

Ein Nein zum Lissabon-Vertrag ist also nicht die Lösung. Es geht um klare Signale für eine Reform aller EU-Institutionen, unabhängig von vertraglichen Änderungen. Unter allen Umständen muss eine Reformstarre vermieden werden. Nur so ist eine Re-Nationalisierung unseres Kontinents vermeidbar. Parallel dazu muss der Ratifizierungsprozess zügig fortgesetzt werden. Sollten alle übrigen 26 Staaten ratifizieren, muss sich Irland die Frage stellen, ob es an dieser reformbereiten EU teilnehmen oder das Verhältnis zur EU auf bisherigem Niveau einfrieren will.

Damit soll Irland nicht bestraft werden. Aber die Mehrheit der Staaten soll die Chance haben, gegenüber den USA, Russland und China mit starker Stimme sprechen und erhöhter Durchsetzungsfähigkeit handeln zu können. Und das mit einem Mehr an innerer Demokratie, wie es der Vertrag von Lissabon vorsieht. Wir können auch ohne Reformvertrag leben, aber das bedeutet ein Europa mit weniger Demokratie und Durchsetzungskraft.

Hannes Swoboda ist SPÖ-Europaabgeordneter und Vizepräsident der SPE-Fraktion im Europäischen Parlament

"Ein solches Europa als loser Verbund könnte bei der notwendigen

Lösung der uns

betreffenden globalen Probleme keinerlei Hebelwirkung entfalten."