Wenn der neue Präsident Emmerson Mnangagwa tatsächlich Reformen durchführt, zerstört er seine Machtbasis.
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Harare/Wien. Sie haben Champagner getrunken und sich mit Models umgeben, sie haben geprotzt und geprahlt. Robert Peter junior und Chatunga Mugabe, die beiden Söhne von Robert Mugabe, haben keine Party ausgelassen. Auch wenn sie in Südafrika leben (angeblich studieren sie dort), hat sich ihr wilder Lebensstil bis in ihre Heimat Simbabwe herumgesprochen. Fotos, die sie auf Soziale Medien stellten, haben dort die Runde gemacht.
Etwa das Bild, auf dem Chatunga Mugabe nichts weiter als sein Handgelenk abfotografiert hat. Auf diesem prangen eine glitzernde, silberne Uhr und eine Goldkette. Dazu der Text: "60.000 Dollar auf dem Handgelenk, wenn deinem Dad das ganze Land gehört." Das Foto war für den Großteil der Bürger in dem bitterarmen Land, die täglich ums Überleben kämpfen müssen, ein Schlag ins Gesicht.
Nun hat sich die Lage geändert: Daddy Robert Mugabe besitzt das Land nicht mehr. Offiziell ist der Langzeitherrscher freiwillig zurückgetreten, tatsächlich haben ihn das Militär und seine Kameraden aus der Regierungspartei Zanu-PF gestürzt. Der 93-Jährige wollte seine um 40 Jahre jüngere Frau Grace Mugabe als Nachfolgerin installieren. Doch "Gucci-Grace" - den Spitznamen hat sie wegen ihrer berüchtigten Einkaufstouren - hatte es sich mit zu vielen Parteigranden verscherzt.
Noch ist unklar, wie es mit der Familie Mugabe weitergehen wird. Sie wird aber wahrscheinlich nicht in Armut darben müssen. Diejenigen, die sie gestürzt haben, kommen selbst aus dem Apparat und haben sich ebenfalls in den vergangenen Jahren bereichert. Sie werden wenig Interesse daran haben, ein Exempel zu statuieren, das auf sie selbst zurückfallen könnte.
Auch die politischen Verbrechen von Mugabe werden aller Voraussicht nach nicht aufgearbeitet werden. Der Mann, der seit 1980 herrschte, hat tausende ermordete Oppositionelle zu verantworten. So töteten in den 1980er Jahren Mugabes Schergen im Matabeleland Schätzungen zufolge 20.000 als illoyal eingestufte Bürger, die hauptsächlich der Ethnie der Ndebele angehörten. Die rechte Hand von Mugabe bei diesem Feldzug war damals Emmerson Mnangagwa.
Dieser ist nun der starke Mann in Simbabwe, und er wird am Freitag als neuer Präsident vereidigt werden. Sein Spitzname lautet "Das Krokodil". Denn der gewiefte Taktiker weiß genau, wann er abtauchen und wann er zuschlagen und seine Gegner eliminieren muss.
Die eigene Parteisteht einem Wandel im Weg
Ausgerechnet Mnangagwa, der 37 Jahre lang einer der wichtigsten Köpfe des Systems war, präsentiert sich nun als der große Befreier Simbabwes. Und er löst offenbar Hoffnung aus, wie die fröhlichen Kundgebungen für ihn beweisen.
"Mnangagwa hat nun tatsächlich die Möglichkeit, einen Kurswechsel einzuleiten", sagt Piers Pigou, der für die renommierte Denkfabrik "International Crisis Group" als Chefanalyst für Simbabwe fungiert. "Aber es stehen viele Hürden im Weg." Eine davon sei Mnangagwas bisheriger Umgang mit der Opposition, seine eigene Vergangenheit, die so sehr mit Gewalt und Unterdrückung verbunden ist.
Eine andere sind die Umstände der Gegenwart, durch die sich der 75-Jährige nun navigieren muss. Denn Simbabwe ist ökonomisch am Boden, Experten zufolge liegt die reale Inflationsrate bei mehr als 300 Prozent, 90 Prozent der Bevölkerung sind arbeitslos und versuchen im informellen Sektor, etwa als Straßenverkäufer oder als Erntehelfer, zu überleben.
Das Land braucht daher dringendst weitgehende Reformen, einen "Aktionsplan, der der Bevölkerung dient", sagt Pigou der "Wiener Zeitung". Doch das könnte wiederum mit den Interessen der Machthaber kollidieren.
Denn eine moderne Wirtschaft fußt auf Transparenz und Offenheit, einem Wettbewerb der Ideen. In Simbabwe ist aber genau das Gegenteil der Fall. "Politische Interessen bestimmen dort die Wirtschaft, zudem ist sie im Korruptionssumpf versunken", erklärt Pigou. Zu Geld kommt, wer mit der Regierungspartei Zanu-PF verwoben ist. Und das gibt wiederum der Partei so viel Macht. Mit ernsthaften Reformen würde Mnangagwa damit seine eigene Machtbasis zerstören.
Simbabwe ist damit kein Einzelfall. In vielen afrikanischen Staaten und auch anderen Entwicklungsländern sind Staat und Regierungspartei eine Einheit, kommt nur an Ressourcen heran, wer Teil dieses Systems ist. Und oft genug handelt es sich dabei wie in Simbabwe um ehemalige Befreiungsbewegungen, daran ändern auch -oft zweifelhafte - Wahlen nichts. Joseph Kabila im Kongo oder Yoweri Museveni in Uganda, um nur zwei Beispiele zu nennen, sind als Befreier von Unterdrückungsregimes angetreten. Und haben dann doch erst eine neue Machtkonzentration um sich selbst und ihre Getreuen herum geschaffen.
Mit Mugabe ist nun einer der längstdienenden Staatschefs Afrikas abgetreten. Ob hier nun aber ein Beispiel für einen Wandel in eine pluralistische Gesellschaft gesetzt wird, ist fraglich. "Entscheidend ist, ob die politische Macht in Simbabwe nun neu verteilt wird" betont Pirou. "Oder ob sich die Zanu-PF noch einmal neu erfindet, um weitere 20, 30 Jahre die Macht in ihren Händen zu halten. Müsste ich Geld setzen, würde ich auf Zweites tippen."
Es gibt wenigAnlass zu Optimismus
Die Zanu-PF, die auch von einer fragmentierten Opposition profitiert, nutzt nämlich derzeit den Umsturz, um sich als "doppelter Befreier" zu präsentieren, erklärt Pigou. Die Erzählung lautet dabei: Die Zanu-PF hat Simbabwe nicht nur vom weißen Siedlerregime befreit, sondern auch von Robert Mugabe. Dieser wird zwar weiterhin als Revolutionär und Unabhängigkeitskämpfer gewürdigt. Aber als einer, der sich mit der Zeit verlaufen hat.
Das Militär hat während des Umsturzes davon gesprochen, dass eine Bande rund um Mugabe Verbrechen begangen habe. Dieser wurde damit die Schuld für die Misere zugeschoben. "Das stimmt freilich nicht", sagt Pigou. "Das ist die Gesamtverantwortung der bisherigen politischen Führung. Und eine Menge dieser Leute stehen weiterhin an der Spitze der Partei und des Staates."
Niemand kann derzeit genau sagen, wie es in Simbabwe weitergeht. Man dürfe nicht vergessen, dass der Sturz Mugabes auch "eine Riesenchance für das Land ist", sagt Pirou. Ein Wandel würde dabei nicht über Nacht kommen, weshalb man den neuen, alten Machthabern zumindest einmal die Zeit und die Möglichkeit geben sollte, diesen umzusetzen.
Allzu optimistisch ist der Experte aber nicht. Mit Blick auf die Gesamtlageschätzt Pirou, dass Mnangagwa zwar die notwendigen Schritte einleiten wird, um die Inflation halbwegs in den Griff zu bekommen. "Sonst wird der ökonomische Wandel aber voraussichtlich beschränkt sein. Und die notwendigen politischen Reformen werden wahrscheinlich nicht stattfinden."