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Die oft zurückhaltende Politik von US-Präsident Barack Obama hat im Nahen Osten die Verhältnisse verändert.
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Die Frage nach dem gegenwärtigen Zustand des Nahen Ostens beantwortete ein israelischer Regierungsbeamter bei seinem Besuch in den USA mit "gam vegam", was so viel bedeutet wie: Es geht gleichzeitig in beide Richtungen. Die Scherben des Nahostmosaiks sind so scharf und gefährlich wie immer, aber US-amerikanische, israelische und arabische Regierungsbeamte sagen, dass die einzelnen Stücke in den letzten Monaten neu geordnet worden sind und nun auf andere, oft überraschende Weise zusammenpassen.
Daraus ergeben sich Möglichkeiten, die nur wenige Beobachter erwartet hätten, aber auch neue Gefahren. US-Präsident Barack Obama wollte das strategische Gleichgewicht im Nahen Osten verändern und teilweise ist das auch gelungen, indem andere ermutigt wurden, militärisch eine größere Rolle zu spielen - im Guten wie im Bösen. Syrien dürfte dabei Obamas größter außenpolitischer Misserfolg sein.
Aber trotz all der Neinsager, mit denen er konfrontiert war, ist es US-Außenminister John Kerry gelungen, die einzelnen Syrien-Antagonisten - Russland, Iran, Türkei, Saudi-Arabien, Jordanien, das Regime von Bashar al-Assad und die Opposition - unter ein Dach zu bringen, um an einem Waffenstillstand zu arbeiten. Dieser diplomatische Prozess ist fragil und vom guten Willen der Russen und anderer Akteure abhängig, die bisher nur bloßen Eigennutz gezeigt haben. Aber das ist besser, als nichts in den Händen zu haben. Laut Schätzungen des US-Außenministeriums wurden in den letzten Wochen 225.000 verzweifelte Syrer von Hilfslieferungen erreicht. Ziel ist Hilfe für 1,7 Millionen Syrer bis Ende März.
Der Iran ist das zweite Puzzlestück, das heute anders aussieht, als die meisten vor ein paar Jahren angenommen hatten. Obama hatte darauf gesetzt, den Iran durch globale Sanktionen zu einem bedeutsamen Atomabkommen bewegen zu können, und er hat recht behalten. Und seine Hoffnung, dass die Öffnung des Iran die pragmatischen Kräfte im Land stärken werde, scheint nun nach den Wahlen ebenfalls Früchte zu tragen: Die Hardliner sind geschwächt, Präsident Hassan Rouhani wurde gestärkt.
Auch Saudi-Arabien verändert sich. Wer hätte vor ein paar Jahren vorausgesehen, dass die entscheidende Person in dieser hyperkonservativen Monarchie ein 30-Jähriger sein würde, dem es um eine Saudi-Version der relativ toleranten Vereinigten Arabischen Emirate zu gehen scheint?
Das zerklüftetste Stück des Nahostpuzzles ist im Moment die Türkei: Der Aussöhnungsprozess mit den Kurden liegt in Scherben, die Demokratie ist untergraben, die Beziehungen zu Russland, Israel, dem Iran und den USA sind allesamt schlechter geworden - ein ziemliches Kunststück.
Während Obamas Präsidentschaft haben sich die USA im Nahen Osten zurückgenommen und Russland, der Iran, Saudi-Arabien und die Terrormiliz IS nehmen ihren Platz ein. Das bringt viele neue Gefahren mit sich. Aber wenn auch die militärische Dominanz der USA zurückgeht, die diplomatische Rolle bleibt gewichtig, wie die Syrien- und die Iran-Gespräche zeigen. Wenn die Rolle auch kleiner ist, bleiben die USA doch die unentbehrliche stabilisierende Macht - ob man das will oder nicht.
Übersetzung: Hilde Weiss