Bundespräsident Heinz Fischer eröffnete gestern die große Staatsvertragsausstellung "Das neue Österreich" im Belvedere, die ab Sonntag bis 1. November den Besuchern offen steht. Für Fischer war das Neue an der Zweiten Republik, dass diese im Gegensatz zur Ersten Republik ein Wunschkind war.
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Die Ausstellung spiegelt das gesamte 20. Jahrhundert wider. Eine Ausstellung, die "ohne Selbstgefälligkeit, ohne Selbstgerechtigkeit, ohne falschen Stolz und ohne naive Illusionen" Österreichs Weg zeigt, wie es der frühere Finanzminister Hannes Androsch formulierte. Androsch repräsentiert ein Personenkomitee, das gemeinsam mit dem Bund und der Stadt Wien die Ausstellung zu je einem Drittel finanziert hat. Man müsse die Vergangenheit verstehen, um die Zukunft zu bewältigen - auch dafür gebe diese Schau den notwendigen Überblick, sagte er bei der Eröffnungsfeier, zu der Regierungsmitglieder, Botschafter und viel Prominente in den Marmorsaal des Belvederes geladen waren. In jenen Saal, wo am 15. Mai 1955 der österreichische Staatsvertrag unterzeichnet wurde. Die grüne Unterschrift des österreichischen Außenministers Leopold Figl in dem Dokument hat übrigens keine besondere Bedeutung. Figl habe immer eine grüne Füllfeder benützt, klärte die frühere Nationalbankpräsidentin Maria Schaumayer auf. Die Originalurkunde des Dokuments wird ab 28. Mai durch eine Kopie ersetzt.
Der Bundespräsident nahm auf die Ereignisse der unmittelbaren Vergangenheit Bezug und schloss daraus, dass der Ungeist seine Kraft noch nicht restlos verloren habe. "Die Vergangenheit ist keine Kiste, die man in eine Ecke stellen kann", sagte Fischer und lobte die umfassende Auseinandersetzung der Ausstellungsmacher, darunter der Direktor der Österreichischen Galerie, Gerbert Frodl, und Günter Düriegl, der wissenschaftliche Leiter der Ausstellung.
Im Gegensatz zu 1918, als Österreich schon an seiner Wiege mit Selbstzweifeln konfrontiert war - ein Staat, den keiner wollte - sei die Zweite Republik ein Staat, den alle wollten, ein Wunschkind, das seinen Blick auf die Zukunft gerichtet hat.