Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen steigt, Stimmen für Wiedereinführung von Erbschaftssteuern werden lauter.
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Wien. Sieht man sich den internationalen Vergleich an, könnte man bilanzieren: Österreich steht gut da. Zumindest, was Armut und Armutsgefährdung angeht. Knapp 14 Prozent der Bevölkerung sind armutsgefährdet, damit gehört Österreich zu jenen Ländern in Europa, die ein hohes Maß an sozialer Sicherheit aufweisen. Seit der Wirtschaftskrise von 2008 ist die Armut in Österreich sogar rückläufig - das geht aus dem aktuellen Sozialbericht 2015/16 des Sozialministeriums hervor.
Was aber die Verteilung von Einkommen und Vermögen angeht, sieht es laut Sozialbericht allerdings weniger rosig aus. Zwar habe sich die Ungleichheit bei den Einkommen - entgegen dem internationalen Trend - im Untersuchungszeitraum leicht verringert. Einkommen seien in Österreich sehr ungleich, Vermögen extrem ungleich verteilt, so die Autoren des Berichts. 75 Prozent aller Haushalte verfügen über weniger als 50.000 Euro Bruttojahreseinkommen, fünf Prozent über mehr als 100.000 Euro brutto pro Jahr. Das oberste Prozent der Haushalte verfügt über mehr als 300.000 Euro brutto im Jahr, ist im Bericht zu lesen.
Kapitaleinkommen nach wie vor schwach besteuert
Betrachtet man die Einkommensquellen nach dieser Verteilung, so zeigt sich, dass sich das oberste Prozent im Vergleich zu den übrigen 99 Prozent viel stärker aus selbständigem Einkommen und Kapitaleinkommen zusammensetzt. Von hohem Kapitaleinkommen, schreiben die Autoren, profitiere fast ausschließlich dieses oberste Prozent. Während in Österreich Arbeit nach wie vor hoch besteuert wird, zahlen Bezieher von Kapitaleinkommen nur 25 Prozent Steuer (27,5 Prozent auf Dividenden und Aktiengewinne) - und zwar unabhängig davon, wie hoch das so bezogene Einkommen ist. Das zeigt sich auch bei der Betrachtung des gesamten Steueraufkommens: Nur 1,4 Prozent davon stammte 2014 aus vermögensbezogenen Steuern. Zum Vergleich: Der Durchschnitt der EU-15 lag 2014 bei 6 Prozent, der OECD-Schnitt bei 5,5 Prozent.
Organisationen wie Attac fordern daher, Dividenden, Zinserträge und Kursgewinne aus Aktien, Anleihen, Derivaten und Devisen unter die Einkommenssteuer zu fassen - und progressiv zu besteuern. Je höher diese Einkommen ausfallen, desto höher müssten auch die Steuerabgaben ausfallen, sagt Elisabeth Klatzer von Attac.
Die Autoren des Sozialberichts, der aus acht Teilstudien besteht, sprechen sich hingegen für die Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer aus. Vermögen aus Erbschaften sind nämlich im Steigen begriffen. Machten 2015 Vermögenstransfers aus Erbschaften noch rund 12 Milliarden Euro aus, so wird bis 2035 eine Steigerung dieser Vermögenstransfers auf über 20 Milliarden Euro erwartet. Das gehe aus Daten der Nationalbank hervor, zeigt der Sozialbericht.
Hofer: "Zu starke Ungleichheit dämpft das Wachstum"
Auch wenn im neuen Arbeitsprogramm der Regierung davon keine Rede ist: Für Sozialminister Alois Stöger ist die Einführung einer Erbschaftssteuer politisch keineswegs vom Tisch. Würde sie auch ökonomisch Sinn machen und ein mehr an sozialer Gerechtigkeit führen?
"Die Frage ist, was eine Erbschaftssteuer wirklich bringt? Entweder, ich besteuere im Laufe des Arbeitslebens, oder ich besteuere danach", sagt Helmut Hofer, Ökonom am Institut für Höhere Studien (IHS). So, wie die SPÖ das nun andenke, mache jedenfalls wenig Sinn. Nur die ganz hohen Erbschaften zu besteuern, bringe zu wenig, sagt Hofer, der auf Deutschland verweist: "Was mache ich mit Betrieben? Ich brauche hier Ausnahmen, sonst geht es den kleinen Unternehmen an den Kragen." Rein ökonomisch aber hätten Erbschaftssteuern geringe verzerrende Effekte, so Hofer. Der Grund: "Man kann den Zeitpunkt des Todes so gut wie nicht beeinflussen."
Man müsse jedoch auch dazu sagen, wieso die Erbschaftssteuer seinerzeit in Österreich abgeschafft wurde. "Kapital hat die Eigenschaft, relativ mobil zu sein. Immobilien sind, wie der Name schon sagt, nicht mobil - deshalb kann man sie leichter besteuern." Die Gerichte hätten das aber damals als Ungleichbehandlung erkannt, und so kam es zur Abschaffung.
Den Argumenten des IHS-Ökonomen widerspricht Attac. Sprecher David Walch stellt in Abrede, dass, sollte es eine Erbschaftssteuer geben, Vermögen aus Erbschaften bereits besteuert worden sei: "Hier liegt eine falsche Grundannahme vor. Die Steuer zahlt ja nicht der Verstorbene, sondern der Erbe. Sonst würde sie ja ,Todessteuer‘ und nicht ,Erbschaftssteuer‘ heißen. Derjenige, der Vermögen erbt, hat für dieses Einkommen jedenfalls noch nie Steuern bezahlt." In einem jedenfalls herrscht Einigkeit: "Zu starke Ungleichheit dämpft das Wachstum", sagt auch Ökonom Hofer.
Männer wollen weniger,Frauen wollen mehr arbeiten
Abgesehen von den ökonomischen Aspekten: Wachsende Ungleichheit führt auch zu Nachteilen bei Gesundheit und Lebenserwartung. Menschen mit niedrigem Einkommen, ist im Sozialbericht zu lesen, sind öfter krank und leben kürzer. Die Ungleichheit beginnt auch, den bisher guten Lebensstandard sozial schwächerer Schichten zu gefährden: 23 Prozent aller Menschen in Österreich leben in Haushalten, die keine unerwarteten Ausgaben in Höhe von 1100 Euro finanzieren können. In Niedrigeinkommenshaushalten, so die Autoren des Sozialberichts, sind es sogar 53 Prozent.
Der Sozialminister zieht eine weitere Folgerung aus dem Bericht: Es brauche ein Wahlarbeitszeitmodell für Arbeitnehmer. Bei den Vollzeitbeschäftigten würden laut Bericht Männer statt 42,5 Stunden lieber nur 40,7 Stunden arbeiten, teilzeitbeschäftigte Männer statt 21,5 Stunden lieber 27 Stunden. Bei Frauen ist es umgekehrt: Vollzeitbeschäftigte möchten statt 40,9 Stunden um zwei Stunden weniger arbeiten, teilzeitbeschäftigte Frauen statt 22,5 Stunden lieber 24,9 Stunden.