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"Das öffentliche Lob war schön"

Von Reinhard Göweil

Politik

ÖBB-Chef Christian Kern über den Umgang des Unternehmens mit dem Flüchtlingsansturm.


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Alpbach. Eigentlich ist Christian Kern zu den Wirtschaftsgesprächen nach Alpbach gekommen. Doch der Flüchtlingsansturm aus Ungarn führte beim ÖBB-Chef zu hektischem Krisenmanagement. Smartphone und Tablet wurden zur mobilen Unternehmenszentrale. Es hat jedenfalls gut geklappt, denn für die vorbildhafte Leistung haben die ÖBB viel Lob erhalten.

Wiener Zeitung:Die Reaktion der ÖBB auf den plötzlichen Flüchtlingsansturm wird als vorbildlich beschrieben. Haben Sie Pläne für solche Notfälle in der Schublade?Christian Kern: Na ja, da war keine Planung möglich. Die Ungarn haben ihre Strategie recht plötzlich geändert. Wir mussten improvisieren, aber jetzt ist alles unter Kontrolle. Ich möchte aber sagen, dass dieses öffentliche Lob für unsere Mitarbeiter eine wirkliche Genugtuung ist. Und ein Ansporn, die Hilfe fortzusetzen. Es war ganz großartig zu sehen, wie die Bevölkerung und unsere Mitarbeiter da geholfen haben. Ich muss auch sagen, dass die Kooperation mit der Polizei und den Hilfsorganisationen schnell und unbürokratisch funktionierte.

Erwarten Sie, dass viele Flüchtlinge nun mit Sonderzügen nach Österreich und Deutschland kommen?

Wir stellen uns zumindest darauf ein. Derzeit ist es wieder ruhiger, aber es kann sich halt jederzeit wieder ändern. Wir haben jedenfalls am Wiener Westbahnhof Büros umfunktioniert, und Betten hinein gestellt. Auch in Salzburg laufen die Vorbereitungen. Denn die Deutsche Bahn setzt keine Sonderzüge ein, sodass auch in Salzburg viele Flüchtlinge auf die Weiterreise warten müssen.

Hat sich nach den 71 Toten auf der Ostautobahn Ihrer Meinung nach die Stimmung in der Bevölkerung gedreht?

Ehrlicherweise muss man zugeben, dass es auch in den ÖBB zwei Meinungen zu dem Thema gibt. Darum war die öffentliche Anerkennung so schön zu sehen, weil es jene motiviert, die helfen wollen - und das auch tun. Wir haben drei Prämissen formuliert, und das wird im Unternehmen gut umgesetzt: Erstens Wasser für die Menschen, zweitens Sicherheit zu gewährleisten und drittens, die Flüchtlinge anständig zu behandeln.

Haben die Flüchtlinge Tickets, oder lässt man sie einfach durchfahren?

Der Großteil von ihnen hat Tickets. Sie wollen nicht riskieren, den Zug verlassen zu müssen. Die Flüchtlinge versuchen im Zug nicht aufzufallen und verhalten sich sehr korrekt. Daher gibt es in den Zügen für alle Passagiere kein Problem. Die meisten wollen nach Deutschland, weil sich herumgesprochen hat, dass Deutschland die Dublin-Verordnung nicht anwendet, sie daher dort auch bleiben können.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Ungarn?

Die Ungarn setzten auch Sonderzüge ein, wir stehen mit den Kollegen dort in gutem Kontakt. Zudem haben wir zwei arabisch sprechende ÖBB-Mitarbeiter, einer stammt aus Syrien, der andere aus dem Irak, in die Grenzstadt Hegyeshalom gebracht. Sie geben dort erste Informationen, was nun weiter passiert. Und wir haben am Dienstag einen englischsprachigen Folder produziert, den wir an die Flüchtlinge verteilen. Darin steht, dass man das Wasser aus den Leitungen trinken kann, auch ein paar Notfallnummern. Basisinformationen eben, um die Menschen zu informieren.

Sie richten sich also darauf ein, dass Flüchtlinge länger in den Bahnhöfen bleiben müssen?

Nicht wirklich, wir helfen nur, so gut es geht. Die meisten wollen vom Bahnhof nicht weg, weil sie Angst haben, dass sie dann keinen Zug mehr erreichen. In Salzburg hatten wir geplant, eine Halle, die sieben Kilometer entfernt ist, als Unterkunft herzurichten. Das garantiert den Menschen wenigstens ein Dach über dem Kopf. Aber die meisten wollen einfach so rasch wie möglich nach Deutschland, und wollen sich gar nicht lange bei uns aufhalten.

Zur Person

Christian Kern

Der 49-jährige Wiener ist seit 2010 Generaldirektor der Österreichischen Bundesbahnen. Er ist verheiratet. Nach seiner dreijährigen Tätigkeit beim damaligen SPÖ-Fraktionschef Peter Kostelka wechselte er 1997 zum Verbund, wo er es bis in den Vorstand schaffte. 2010 dann der Karrieresprung in die ÖBB.