Nicht Barbara Rosenkranz wählen, sondern nachdenken, raten die ÖVP-Oberen. Unten murren nicht nur die Döblinger Regimenter: Was haben sich die oben bloß gedacht?
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Der einhellige Beschluss des Parteivorstandes der ÖVP, keinen eigenen Präsidentschaftskandidaten aufzustellen, macht rund zwei Millionen Bürger einsam. So viele hatten im Jahr 2004 als brave ÖVP-Anhänger für Benita Ferrero-Waldner gestimmt. Vergeblich zwar, aber überzeugt.
Bis zum Tag der Präsidentenwahl am 25. April werden die Leute noch öfter hören, dass in der nach unten offenen Liste der Meinungsführer die Herren Pröll, Spindelegger, Kopf, Leitl, Sausgruber, Konrad und auch der Kardinal die FPÖ-Kandidatin nicht wählen. Aber wen sie wählen, sagen sie nicht, auch wenn es nicht schwer zu erraten ist.
Die für genial gehaltene Idee, mangels Erfolgsaussichten keinen Bewerber ins Feld zu schicken, führt weiter unten genau zu den "taktischen Spielchen", vor denen Generalsekretär Fritz Kaltenegger das BZÖ warnte. Das orange Gebilde hatte nämlich die Stirn, drei ÖVP-Kandidaten zu benennen, die von den ÖVP-Wählern vermutlich ohne Vorkostung geschluckt würden: Wolfgang Schüssel, Ursula Plassnik und Franz Fischler. Aus denen wird natürlich nichts.
Die Gemeinderatswahlen in drei Bundesländern wiesen am Sonntag zwar eine solide ÖVP-Verankerung an der Basis nach - aber wohin geht der Zug? Es sind "im Volk" Stimmen zu vernehmen, die darauf hindeuten, dass mangels Leitlinien auch politische Orchideenzüchter Gehör finden. Nicht nur, dass manche ÖVP-Stimmen auch an Rosenkranz gehen werden.
Ulrich Habsburg-Lothringen, wird behauptet, sei ja selbst für Nicht-Monarchisten eine noble Lösung, trage man doch dazu bei, das verfassungsmäßige Unrecht der Habsburgergesetze zu bekämpfen, die Mitgliedern der einstigen Herrscherfamilie das passive Wahlrecht verwehren.
Am Rande des Biertischs, um den sich die konservativen Kader scharen, kann so etwas besser klingen als linke, rechte oder konfessionelle Optionen.
Links und rechts ist in der Aufzählung leicht zu entschlüsseln, "konfessionell" muss wohl mit Rudolf Gehring besetzt werden, der als Führer der Christenpartei christlich-abendländische Wurzeln schlage. Wenn eine Stimme für ihn auch nichts hilft, so hätte sie wie im Fall Habsburg im Endergebnis doch eine fatale Optik.
Da es am Wahlabend im Grunde nur auf das Kräfteverhältnis zwischen Bundespräsident Heinz Fischer und seiner Herausforderin Rosenkranz ankommen wird, würde jede Stimme für politische Randerscheinungen als indirekte Aufwertung der FPÖ-Kandidatin zu Buche schlagen. Worauf liberal gesinnte ÖVPler erst recht in Gewissenskonflikte stürzen. Auch jede weiße Stimme sowie Wahlenthaltung nützt der rechten Kämpferin Rosenkranz.
Wie vorauszusehen ist, bleiben damit auch manche Elite-Einheiten des Parteivolks an der antimarxistischen Front im Schlamm liegen. Denn die Logik zwingt zur Erkenntnis: Jede Stimme, die Fischer nicht bekommt, wirft Licht auf die braune Kandidatin.
Ob Parteichef Josef Pröll den Jammer, den er seinen Anhängern antut, in seiner ganzen Dimension vorausgesehen hat? Vermutlich nicht. Politische Praktiker, die das Dilemma um einen Wahlkampf mit einem amtierenden Bundespräsidenten schon lange kennen, raten zwar, die Amtsperiode des Staatsoberhauptes deutlich zu verlängern und dafür die Wiederwahl abzuschaffen. Aber auch das wird frühestens erst dann probiert werden, wenn es schon wieder zu spät ist.
Somit bleiben potenzielle ÖVP-Wähler in platonischer Wirklichkeit gefangen: Ihre Partei hat keinen Kandidaten anzubieten.