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60 Jahre haben die Republik Österreich zu einem reichen Land gemacht. Anlässlich der Feierlichkeiten zum Jahrestag des Staatsvertrags ließ es sich die Regierungsspitze nicht nehmen, auch flammende Appelle für ein solidarisches Europa in Festreden einzubauen.
Flüchtlinge benötigen nun diese Solidarität, und dem reichen Land Österreich fällt nichts anderes ein, als Zeltstädte zu errichten, weil die Zahl der Asylanträge steigt. Es sind nicht Hunderttausende wie in den überfüllten Flüchtlingslagern in Syriens Nachbarländern Jordanien und Libanon. Es sind bloß Hunderte.
Für sie werden Zeltlager errichtet, nicht weil alle Quartiere bereits überfüllt wären, sondern weil sich Bund, Länder und Gemeinden nicht auf einen gemeinsamen Weg für die ärmsten Menschen einigen können.
Es werden Zeltlager errichtet, weil die EU zwar flugs Militär ins Mittelmeer entsenden, sich jedoch nicht auf eine gemeinsame Asylpolitik einigen kann.
Es werden Zeltlager errichtet, weil - so das Innenministerium - ein "Notfall" drohe. Hunderttausende Wohnungen, ein paar Kasernen und Pensionen in Österreich stehen leer, aber Menschen, die nichts als ihr Leben retten konnten, müssen wir in Zelten unterbringen.
Die Gründerväter der Zweiten Republik, derer in diesen Wochen oft gedacht wird, würden darüber wohl verständnislos die Köpfe schütteln. Das ist nicht jene Republik, für die sie gekämpft haben. Eine Partei (die FPÖ), die den Wiener Bürgermeister wüst beschimpft, weil er (gemauerte) Quartiere zur Verfügung stellt - das wollten sie nicht. Bundesländer, die beim Thema Flüchtlingsbetreuung nach mehr Geld schreien, aber keinen Gedanken an die verzweifelte Situation dieser Menschen verschwenden - undenkbar.
Bürgermeister, die sogar gegen diese Zeltstädte Proteste ankündigen - auch die sollte es nach dem Willen der Republiksgründer eher nicht geben.
Österreich hat in 60 Jahren viel geschafft und klopft sich jubiläumsbedingt selbst dafür auf die Schulter. Für diese Leistung in 60 Jahren wird quasi ein Partyzelt über dem Land errichtet, in dem erlesene Weine und gutes Essen gereicht werden. Die Flüchtlinge aus Kriegsgebieten und von Terror überzogenen Landstrichen bekommen auch ein Zelt, ein weniger komfortables. Damit wir, die drinnen sind, ungestört feiern können.