Zum Hauptinhalt springen

Das Prager Korruptionsgulasch

Von WZ-Korrespondentin Alexandra Mostyn

Politik

Postenschacher und Bespitzelungen: Premier Necas droht zu stürzen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Prag. Mit einem entschlossenen "Nein" reagierte Tschechiens Ministerpräsident Petr Necas auf Forderungen nach seinem Rücktritt. In einer wütenden Rede im Prager Abgeordnetenhaus verteidigte er die Praktiken, die zu einem der größten Polizeieinsätze in der jüngeren Geschichte des Landes geführt haben.

Bis in die hohen Etagen der Macht waren die Elitepolizisten der Abteilung für organisiertes Verbrechen vorgedrungen. Bei Razzien im Regierungsamt, dem Verteidigungsministerium, dem Prager Magistrat und verschiedenen staatlichen und nichtstaatlichen Firmen sowie 31 Hausdurchsuchungen hat die Polizei acht Leute festgenommen und 150 Millionen Kronen (etwa sechs Millionen Euro) sowie mehrere Tonnen Gold sichergestellt.

Hierbei ginge es um "mehrere sich parallel entwickelnde Geschichten, aus denen die Medien ein politisches Gulasch gemischt haben", erklärte Regierungschef Necas am Freitag.

Unter der Federführung der Staatsanwaltschaft im mährischen Olmütz - die Prager Staatsanwaltschaft war den Ermittlern zu bestechungsanfällig für den Fall - sind inzwischen sieben Leute angeklagt worden. Zum einen wären da der ehemalige Fraktionschef der ODS, Petr Tluchor und der ehemaliger Landwirtschaftsminister und Herausforderer von Necas im Kampf um den Parteivorsitz, Ivan Fuksa. Zusammen mit dem Abgeordneten Marek Snajdr, der bislang noch nicht polizeilich vorgeführt werden konnte, weil er sich im Ausland befindet, werden sie der Korruption bezichtigt. Alle drei hatten im vergangenen Herbst gedroht, die Regierung Necas zu stürzen, weil sie nicht für die geplante Mehrwertsteuererhöhung stimmen wollten. Um seine Regierung zu retten, bot der Premier den drei Rebellen ein Geschäft an: lukrative Posten in staatlichen und halbstaatlichen Firmen im Austausch für ihr Mandat als Abgeordnete.

Die "Trafika", wie die Tschechen den Postenschacher nennen, klappte perfekt. Necas brachte seine Mehrwertsteuererhöhung durch und blieb an der Macht. Die Rebellen ersetzten ihr Mandat mit schön bezahlten Posten in Aufsichtsräten.

"Du unterstützt mich,und ich unterstütze dich"

Necas, der laut Polizeibericht den Handel in Auftrag gegeben hat, wies den Vorwurf der Korruption weit von sich. Der Handel sei nichts weiter als normales politisches Tagesgeschäft, so der Ministerpräsident. "Du unterstützt mich, ich unterstütze Dich, das ist doch politischer Standard", schimpfte Necas und bezeichnete es als normal, sich gegenüber "denjenigen, die sich ihrer Partei gegenüber loyal verhalten und es abgelehnt haben, den Fall der Regierung herbeizuführen", erkenntlich zu zeigen.

Das "politische Gulasch", wie Necas den Skandal bezeichnet, hat noch eine pikante Würze. Und die wird womöglich dem Regierungschef die politische Zukunft vergiften. Unter den Verhafteten befindet sich auch Jana Nagyova. Die 48-jährige Blondine, die als streng und arrogant gilt, leitet das Büro des Ministerpräsidenten und gilt als graue Eminenz auf dem Regierungsamt.

Als solche war sie diejenige, die den abtrünnigen Abgeordneten den Kuhhandel vorschlug. Aber nicht nur der Bestechung wird Jana Nagyova von der Polizei bezichtigt, sondern auch des Amtsmissbrauchs. Sie ist nämlich auch -die jahrelangen Spekulationen wurden jetzt von der Polizei bestätigt - die Geliebte des Ministerpräsidenten. Und als die ließ sie die Ehefrau von Necas, Radka Necasova, im vergangenen Jahr zehn Tage lang vom militärischen Geheimdienst bespitzeln. Deswegen sind zusammen mit Nagyova auch der damalige Chef sowie weitere Mitarbeiter des Geheimdienstes des Amtsmissbrauchs angeklagt.

Viele Tschechen witzeln nun, dass Nagyova mit der Bespitzelungsaktion vielleicht das Lieblingsrezept des Ministerpräsidenten wissen wollte. Laut Polizeiberichten ließ Nagyova die Frau von Necas ausspähen, um kompromittierendes Material über diese zu finden. Nagyova, so der Polizeibericht, verdächtigte Necasova, ihrem Mann untreu zu sein und übte Druck auf den Ministerpräsidenten aus, sich scheiden zu lassen. Necas selbst behauptet, die Bespitzelungsaktion habe dazu gedient, seine Frau zu beschützen. Vor was genau ließ er aber nicht verlauten. Schon am vergangenen Montag allerdings hatte Necas in der Presse bekannt gegeben, dass er sich nach 25 Jahren scheiden lassen würde.

Der große Profiteur könnte Präsident Zeman sein

Der Missbrauch der Geheimdienste sei der schlimmste Teil dieses ganzen Skandals, sagte der Chef der oppositionellen Sozialdemokraten, Bohuslav Sobotka. Zusammen mit den Kommunisten fordert er Neuwahlen. Je weiter sich die Affäre entwickelt, desto unsicherer wird der Verbleib von Necas an der Macht.

Trotz seines selbstsicheren und wütenden Auftritts im Abgeordnetenhaus, in dem er die Polizei bezichtigte, durch ihren Eingriff den Ruf Tschechiens im Ausland geschadet zu haben, kann das "politische Gulasch" im noch schwer im Magen liegen. Dabei war es Necas, der die Polizei zum Kampf gegen die Korruption aufgefordert hat - und in dessen Rahmen flog jetzt die Affäre Nagyova mehr oder weniger zufällig auf.

Wem das ganze Theater durchaus zusagen könnte, ist Präsident Milos Zeman. Der hat schon bei seinem Amtsantritt ganz von einem Ende der Regierung Necas geredet. Der macht keinen Hehl aus seinem Wunsch von einer präsidialen anstelle einer parlamentarischen Demokratie in Tschechien. Eine affärengeschüttelte Regierung kann ihm dabei nur behilflich sein.