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Das preußische Hollywood

Von Markus Kauffmann

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Markus Kauffmann , seit 22 Jahren Wiener in Berlin, macht sich Gedanken über Deutschland.

Das größte und älteste Filmstudio Deutschlands, eine Filmhochschule, eine TV-Anstalt, ein Rundfunkarchiv, ein Filmorchester und -park machen Babelsberg erneut zur Filmstadt.


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Wer kennt sie nicht, die klingenden Namen der UFA-Filme!? Von Asta Nielsen, Marika Rökk, Zarah Leander, Lilian Harvey, Marlene Dietrich bis Hildegard Knef; oder von Emil Jannings, Hans Albers, Willy Fritsch bis Heinz Rühmann! Welche Filmografie kommt an den Regisseuren Murnau, Lang, von Sternberg, Wilder, Käutner oder Staudte vorbei!? Wer hat noch nie von "Dr. Mabuse", "Metropolis", "Der blaue Engel", "Die Drei von der Tankstelle", "Münchhausen" oder "Die Feuerzangenbowle" gehört?

All diese Namen haben Babelsberg berühmt, bisweilen sogar weltberühmt gemacht. Unmittelbar vor den Toren Berlins war dort eine Filmstadt entstanden, die zeitweise selbst Hollywood die Stirn bot. Und wie dort hatte sich auch hier eine Schauspielerkolonie rund um die Produktionsstätten angesiedelt.

Die Geschichte begann damit, dass der Berliner Filmfirma "Bioskop" ihr bisheriges Atelier zu klein geworden war und sie am 14. Oktober 1911 einen Antrag auf Bauerlaubnis für ein Glashaus stellte. Man wollte das Tageslicht optimal nutzen. Rings um das Gelände befand sich ein ziemlich weites, völlig freies Feld, sodass die Sonne in der Tat von früh bis spät das Grundstück beschien. Schon drei Wochen später lag die Genehmigung vor.

Nach der Fusion mit einigen anderen Firmen geht die "Bioskop" in der "Universum Film AG (UFA)" auf. Neubabelsberg, wie es damals hieß, wurde zum Synonym für den deutschen Film. Wie es auf dem inzwischen ausgedehnten Gelände aussah, beschreibt ein Zeitzeuge: "Zurzeit stehen eine große Anzahl Bauten auf dem Gelände, wie der düstere Turm des Schweigens aus dem gleichnamigen Film und das Innere des höchsten Turmgemaches. Aus der Chronik von Grieshuus sind der Burghof mit seiner packenden Romantik und seinem trübe schillernden Burggraben, das einsame, ginsterüberwucherte Heidehaus und die Dorfkirche mit ihrem verfallenen Kirchhof aus dem gleichen Film noch nicht abgebrochen und von weither, schon vom Eingang herüber, grüßt die Mauer aus den Nibelungen, an welcher die Hunnen emporkletterten, und hinter einem Gebüsch guckt noch der (nun tote) Drache hervor.. ."

In der Nazizeit trieb dort der "Bock vom Babelsberg" sein Unwesen, wie Joseph Goebbels wegen seiner Affären mit Filmsternchen genannt wurde. Er hatte die UFA unter seinen Einfluss gebracht. Der Blutverlust für den deutschen Film durch die Vertreibung jüdischer Filmschaffender konnte nie wieder ausgeglichen werden.

Obwohl mit Schreibverbot belegt, verfasste hier Erich Kästner im Haus der mit ihm befreundeten Schauspielerin Brigitte Horney anonym das Drehbuch zu dem Kassenschlager "Münchhausen" mit Hans Albers in der Titelrolle - laut Filmlexikon ein "verschwenderisch gestalteter, tricktechnisch brillanter, farbfreudiger und hübsch ironischer" Streifen.

Nach dem Krieg übernahm die DEFA das Gelände, das nun auf DDR-Gebiet lag und durch die Mauer von Berlin abgeschnitten war. Der wohl berühmteste Streifen aus dieser Zeit ist zweifellos Wolfgang Staudtes Trümmer-Film "Die Mörder sind unter uns".

Nach dem Fall der Mauer schien Babelsberg, heute der größte Ortsteil der brandenburgischen Hauptstadt Potsdam, als Filmstandort verloren. Es ist vor allem dem Engagement des Filmemachers Volker Schlöndorff zu danken, dass es anders kam: Mit 25.000 Quadratmetern Fläche und 16 Studios ist Babelsberg heute der größte zusammenhängende europäische Filmstudiokomplex und zählt zu den umsatzstärksten Großatelierstudios für Kinofilme in Europa.