Zum Hauptinhalt springen

"Das Problem ist ein politisches"

Von Karl Leban

Wirtschaft
"Eine Lebensversicherung ist das Sicherste, was es gibt", sagt Verbandspräsident Littich.

"Als Vereinigtes Europa wären wir die Krise los", meint der frühere Top-Banker.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Wiener Zeitung": Wie sehen Sie die jüngste Maßnahme der Ratingagentur Standard & Poor’s, den Ausblick für 15 Euroländer, darunter alle sechs Triple-A-Länder, pauschal auf negativ zu setzen?

Wolfram Littich: Das ist ein Wink mit dem Zaunpfahl. Wenn der Effekt dieses negativen Ausblicks der ist, dass politische Entscheidungen beschleunigt werden, und nicht der, dass es ein Downgrading gibt, dann war das sogar positiv. Ein Downgrading wäre allerdings sehr schlecht.

Das würde die Staatsschuldenkrise dramatisch verschärfen. Ist die Eurozone überhaupt noch zu retten?

Sie ist zu retten, wenn die Politiker es schaffen, dass man in Europa enger zusammenrückt. Der Geburtsfehler des Euro war, dass man auf eine einheitliche Wirtschafts- und Fiskalpolitik verzichtet hat. Hier anzusetzen ist auch der einzige Weg aus der Krise - Eurobonds sind nicht der Weg. Der Weg ist ein politischer, und die Konsequenz sind dann Eurobonds. Jedenfalls sind jetzt Schritte in die richtige Richtung gesetzt worden - in Richtung Fiskalunion.

Was konkret muss noch geschehen?

Man muss eine vernünftige Lösung dafür finden, dass jene Euroländer, die sich weniger an Budgetgrenzen halten, ein stärkeres Korsett bekommen. Grundsätzlich müsste man über eine gemeinsame Wirtschafts-, Währungs- und Fiskalunion ein Vereinigtes Europa anstreben. Als Vereinigtes Europa wären wir die Krise los und hätten eine sehr gute ökonomische Zukunft. Betrachtet man die Wirtschaftsleistung von ganz Europa, wäre es ein einziger Staat, und stellt dieser Wirtschaftskraft die Schulden von ganz Europa gegenüber, sind wir zweifellos die beste Wirtschaftsmacht der Welt. Meiner Meinung nach haben wir ein politisches und kein ökonomisches Problem.

Ein politischer Großumbau von Europa wäre ziemlich langwierig. Wäre der Markt bereit dafür, die nötige Geduld aufzubringen?

Das ist mehr eine Frage der Psychologie. Wenn die Investoren daran glauben, dass es in Sachen Wirtschafts- und Finanzpolitik einen europäischen Schulterschluss geben wird, wird sich der Markt schlagartig beruhigen.

Trotzdem sind Staatsanleihen heute nicht mehr das, was sie einmal waren, nämlich sicher. Warum sollte die Lebensversicherung da noch eine Zukunft haben?

Eine Lebensversicherung ist so wie bisher das Sicherste, was es gibt. Der Konkurs einer Versicherungsgesellschaft hätte keine Auswirkungen auf das Vermögen der Kunden, weil es ihres ist und zur Gänze ausgesondert würde. Natürlich haben Staatsanleihen ein gewisses Gewicht in der Veranlagung. Aber die Risiken sind breit gestreut. Das Gesetz schreibt vor, das Geld der Kunden möglichst risikolos anzulegen.

Falls Anleihen reihenweise ausfallen, könnten Kunden dennoch ihr Geld verlieren?

Klar, das ist nicht ausgeschlossen. Aber wenn der Meteor einschlägt, sind wir auch alle tot.

Nach Solvency II, dem neuen Kapitalregime für Versicherer, müssen Staatsanleihen - egal ob sie ein Triple-A haben oder Ramsch sind - auch künftig nicht mit Eigenkapital unterlegt werden. Sicherheitsbewusste Kunden könnte das stören.

Das mag schon sein. Aber entscheidend ist, dass man in Summe genug Kapital hat, um Stress in volatilen Zeiten auszuhalten. Und das war in der Branche immer der Fall. Das Kapital der Versicherer hat offensichtlich auch gereicht, die beiden schlimmsten Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg, die Krise 2008/2009 und die jetzige Krise, wegzustecken.

Frage: Ist eine einzige Versicherungsgesellschaft in Europa pleitegegangen? Antwort: Nein! Das Gesamtkapital dürfte also reichen.

Wofür braucht man dann ein neues Regelwerk wie Solvency II?

Das ist eine gute Frage. Warum brauchen Versicherer mehr Kapital, wenn sie bereits zwei echte Schocks ausgehalten haben? Ich halte das Solvency-II-Thema für eine irrelevante Diskussion. Es ist lediglich ein Methodenstreit von Bürokraten, wie die Risiken bei Aktien, Immobilien und Staatsanleihen zu gewichten sind.

Nichtsdestotrotz wird es Solvency II ab 2013 geben. Ist die Allianz Österreich schon darauf vorbereitet?

Wir sind es, und wir brauchen auch kein zusätzliches Kapital. In Summe ist der Kapitalbedarf aller rund 70 Versicherer in Österreich eine Spur höher als das, was jetzt an Kapital vorgehalten wird. Im Ganzen sind es 10 Prozent - das bedeutet, dass Kapitalerhöhungen nicht grundsätzlich nötig sind.

Zurück zur Lebensversicherung: Ihre Branchenkollegen in Deutschland sprechen davon, dass die aktuell niedrigen Zinsen in Europa weit schlimmer sind als jede Abschreibung auf griechische Staatsanleihen. Wie sehen Sie das?

Die Lebensversicherung ist wie ein Teich - mit einem Zufluss und einem Abfluss. Und die Höhe des Wasserspiegels ist die Gewinnbeteiligung. Wenn wir über ein paar Jahre niedrige Zinsen haben, was bedeuten würde, dass der Zufluss ausfällt, wird sich der Wasserspiegel ein bisschen senken. Schlimm wäre es nur, wenn wir über 15 bis 20 Jahre ein Zinsumfeld von 0 bis 0,5 Prozent hätten. Das wäre eine Bedrohung für die gesamte Branche. Ich halte das aber nicht für sehr wahrscheinlich.

Wie läuft das Geschäft in der Lebensversicherung derzeit generell?

In der reinen Rentenvorsorge läuft es nach wie vor sehr gut, da gibt es große Zuwächse. Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung und bei Einmalerlägen hingegen war es heuer rückläufig.

Wie wird die heurige Bilanz für die Allianz Österreich ausfallen?

Wir werden voraussichtlich das beste versicherungstechnische Ergebnis in unserer Geschichte haben. Die Combined Ratio (Schäden und Kosten im Verhältnis zu den Einnahmen, Anm.) ist extrem gut. Die Verwerfungen am Kapitalmarkt werden sich natürlich im Vorsteuerergebnis niederschlagen. Von unseren gesamten Kapitalanlagen (5,3 Milliarden Euro, Anm.) entfallen allerdings nur 4 Prozent auf Anleihen von Euro-Krisenländern. Griechische Bonds werden wir zum Jahresende auf den gültigen Marktwert abschreiben. Alles in allem stehen wir auf einem sehr soliden Fundament. Wir haben das beste Rating aller österreichischen Versicherer. Das hat zunehmend Bedeutung für Kunden, die wissen wollen, wo sie ihr Geld veranlagen. Deshalb bin ich auch für die Zukunft positiv gestimmt.

Zur Person

Wolfram Littich (52) ist seit Mai 2001 Vorstandschef der Allianz Österreich. Die zum deutschen Allianz-Konzern gehörende Gruppe hat 3400 Mitarbeiter und 1,1 Millionen Kunden, 2010 kam sie bei einem Prämienvolumen von 1,3 Milliarden Euro auf knapp 106 Millionen Euro Jahresgewinn. Vor seinem Wechsel zur Allianz war Littich im Vorstand der Wiener Börse und der Bank Austria. Seit Juli 2010 ist er Präsident des österreichischen Versicherungsverbands.