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"Das Problem liegt im Vollzug"

Von Martyna Czarnowska

Politik

Ginge es nach Innenminister Ernst Strasser wäre das neue Asylgesetz längst beschlossen. Ginge es nach den Hilfsorganisationen dürfte es gar nicht zur Beschlussfassung kommen. Denn in der vorliegenden Form verstoße der Entwurf gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und Europäische Menschenrechtskonvention. Der parlamentarische Prozess ist jedenfalls bereits eingeleitet: Heute beschäftigt sich der Innenausschuss mit der Regierungsvorlage.


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Multan H., ein kommunistischer Polizeioffizier, war 1999 vor den Taliban aus Afghanistan geflohen. Als Leiter einer illegalen Zelle hatte er im afghanischen Innenministerium jahrelang gegen das Regime gekämpft. Auch unter der jetzigen Regierung müsse er Verfolgung befürchten. In Österreich hat er Asyl erhalten - doch nicht sofort. Sondern "nach einer ergebnislosen Dublinüberprüfung, einem negativen Bescheid des Bundesasylamtes, gegen den wir Berufung erhoben, sowie drei UBAS-Verhandlungen (März 2001, Dezember 2001, November 2002, der Bescheid erging am 10. Jänner 2003)". Was Michael Genner von Asyl in Not schildert, ist nicht unbedingt ein Einzelfall. Oft müssen Menschen jahrelang auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten.

Eine Beschleunigung der Verfahren ist auch das erklärte Ziel des Innenministeriums. Daher müsse das Asylgesetz novelliert werden, lautet die Argumentation. Der erste Teil des Verfahrens soll in - zu schaffenden - Erstaufnahmestellen geführt werden. Spätestens 72 Stunden nach Einbringung des Antrags ist die Ersteinvernahme vorzunehmen. Danach "ist dem Asylwerber mitzuteilen, dass "das Verfahren zulässig ist; beabsichtigt ist, seinen Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen oder beabsichtigt ist, seinen Asylantrag abzuweisen." Gegen letzteres können Betroffene in Berufung gehen - können aber in einigen Fällen dennoch abgeschoben werden. Die Vorbringung neuer Beweismittel und Fluchtmotive in der Berufungsphase ist nur in bestimmten Fällen erlaubt, wenn sich etwa "der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach der Entscheidung erster Instanz entscheidungsrelevant geändert hat".

Dass es sich dabei um ein so genanntes Neuerungsverbot handelt, will Andrea Jelinek vom Innenministerium nicht gelten lassen. Denn das würde bedeuten, dass nichts Neues in der Berufung vorgebracht werden darf. Es soll vielmehr dem Vorbringen der Fakten in erster Instanz "besondere Bedeutung" zukommen.

Die Hilfsorganisationen üben dennoch scharfe Kritik an den geplanten Regelungen. Angesichts der Tatsache, dass sich einer von fünf Berufungsfällen anschließend als Flüchtling heraus stellt, seien die Einschränkungen problematisch, meint auch Erika Feller, Chefjuristin bei UNHCR in Genf: "Die Gefahr, dass Menschen, die eindeutig als Flüchtlinge anerkannt werden sollten, durch das Netz rutschen, wird erheblich steigen - mit möglicherweise tragischen Konsequenzen." So könnte die Abschiebung in einigen Fällen mit "Refoulment" enden - direkter oder indirekter, erzwungener Rückkehr eines Flüchtlings in sein Heimatland.

Aus diesem Grund wandten sich die Hilfsorganisationen im Vorfeld gegen die Festlegung einer Liste sicherer Drittstaaten, die unter anderem die EU-Beitrittsländer umfasst. "Wir wissen, dass es etwa in Tschechien keinen wirksamen Abschiebeschutz gibt", erklärt Stefan Wallner-Ewald, Generalsekretär der Caritas Österreich. Die Liste sicherer Drittstaaten wurden nun auf Lichtenstein und die Schweiz reduziert. Allerdings werden die Beitrittsländer mit ihrem EU-Beitritt als sichere Herkunftsländer angesehen.

Ruf nach mehr Personal

Eine Beschleunigung der Verfahren ist auch der Wunsch der Hilfsorganisationen. Jedoch dürfe die Qualität nicht darunter leiden. Wallner-Ewald fasst die Vorstellungen zusammen: "Es sollte schnell ein Verfahren eröffnet werden; in sechs, acht Wochen ist dies realistisch. Danach sollte rasch eine Berufung möglich sein. Das Ganze könnte in einem halben, dreiviertel Jahr abgewickelt sein." Und dann fügt er hinzu: "Bei genügend Personal."

Das ist der springende Punkt, auf den die NGOs immer wieder hinweisen. Das Asylgesetz bedürfe keiner großen Novelle, vielmehr liegt das Problem im Vollzug. Wären genug Ressourcen und qualifiziertes Personal vorhanden, könnte es gelöst werden.

Das ist auch die Ansicht von Wolf Schymanski. Als zuständiger Sektionsleiter im Innenministerium zeichnete er für das noch geltende Asylgesetz verantwortlich. Unumstritten war weder das Gesetz noch seine Person. Mittlerweile ist der Beamte karenziert - und wurde von der SPÖ für das Experten-Hearing zum Asylgesetz nominiert. Seine Kritik an den geplanten Änderungen leitet er mit einem Lob ein: "Das Ziel dieser Regierungsvorlage, die Verfahren zu beschleunigen, ist zu begrüßen." Doch die Art, wie das erfolgen soll, "ist eine, die völkerrechtlichen Erfordernissen und denen der Verfassung nicht Rechnung trägt".

Rechtsstaatliche Garantien?

Szymanski begründet das ebenfalls mit den geplanten Einschränkungen im Berufungsverfahren. "Die Beschleunigung geht zulasten rechtsstaatlicher Garantien", stellt er fest: "Wobei nicht einmal sicher ist, dass dieses Ziel erreicht wird." Denn durch die in der Berufung zu prüfenden Ausnahmen werde überdies eine Entlastung der Asylbehörde zweiter Instanz kaum erreicht.

Nach Ansicht des Innenministeriums verstoße das Gesetz weder gegen die österreichische Verfassung, noch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention oder die Genfer Flüchtlingskonvention. Andrea Jelinek streicht die Positiva der Novelle hervor: "Erstmals wird Asylwerbern ein Rechtsberater zur Seite gestellt, gibt es Bestimmungen über Folteropfer und Traumatisierte sowie ein eigenes Familienverfahren." Weiters erhalten AsylwerberInnen nun eine Aufenthaltsberechtigungskarte, sobald ihr Verfahren zugelassen ist.

Wolf Szymanski hingegen erklärt: "Einhellige Meinung ist, dass die Novelle einen Rückschritt darstellt." Für die MitarbeiterInnen der Asylbehörden wäre es ohnehin schwer, berechtigte Ansuchen von unberechtigten zu trennen. Diese Arbeit werde ihnen künftig alles andere als erleichtert.