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Das Problem mit dem Klimaticket

Von Monika Köppl-Turyna

Gastkommentare
Monika Köppl-Turyna ist Ökonomin und Direktorin des Forschungsinstituts Eco Austria.

Die Überfüllung der Züge hat volkswirtschaftliche Schäden zur Folge.


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Die Energiewende stellt Österreich vor riesige Herausforderungen. Ein Teil der dazugehörigen Bewältigungsstrategie ist die stärkere Nutzung des öffentlichen Verkehrs. 2021 wurde deshalb ein "Klimaticket" eingeführt, in dessen Folge die Nachfrage nach Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln, gerade im Schienenverkehr, massiv gestiegen ist. Wird das Klimaticket bald Opfer seines eigenen Erfolges?

Ich schreibe diese Zeilen aus einem sehr vollen Zug in Richtung Vorarlberg. Trotz meiner frühen Buchung waren keine Sitzplätze mehr verfügbar. Zusammen mit anderen Reisenden habe ich ein Ticket der Ersten Klasse nachgelöst, um arbeiten zu können. Berichte darüber, dass Fahrgäste aus überfüllten Zügen sogar wieder aussteigen mussten, sind inzwischen Alltag. Wie kann man dieses Problem lösen?

In der Regel sind die Märkte für Güter und Dienstleistungen im Gleichgewicht - es sei denn, man interveniert in einer Art und Weise, die die Nachfrage und das Angebot auseinanderbringt. Dank öffentlicher Subventionen steigt die Nachfrage, ohne dass aber das Angebot angepasst wird - denn das ist in der kurzen Zeit gar nicht möglich.

Die Überfüllung der Züge kostet: Reisende können den gewünschten Zug nicht nehmen oder haben keinen Sitzplatz, um zu arbeiten. Auch so entstehen volkswirtschaftliche Schäden. Zudem ist der Zuteilungsmechanismus der Sitzplätze ziemlich willkürlich. Aber was wäre effizienter? Die Ökonomie liefert uns einen möglichen Ansatz: Die sogenannte "effiziente Rationierung" beschreibt eine Situation, in der ein rares Gut denjenigen bereitgestellt wird, die den höchsten Nutzen daraus ziehen. Am besten funktioniert das über ein Preissystem, bei dem die Fahrgäste mit dem höchsten Nutzen gleichzeitig auch die höchste Zahlungsbereitschaft haben und deshalb vorrangig bedient werden; unaufschiebbare Termine etwa, die wichtig genug sind, um einen Aufpreis zu bezahlen.

Es gäbe einige Wege, ein solches System zu implementieren: Denkbar wären etwa obligatorische Sitzplatzreservierungen mit gestaffelten Preisen, je nach erwarteter Nachfrage. Kunden, die auch für eine Reise zu einem anderen Zeitpunkt offen wären, könnten so der Zugauslastung entsprechend gesteuert werden. Ähnlich verfahren ja auch Fluggesellschaften: Die Preise für ihre Flüge richten sich unter anderem danach, ob sie zu Stoßzeiten oder am Wochenende stattfinden. Auch das ist aber noch nicht wirklich effizient.

Ein Auktionsmechanismus, etwa durch eine digitale Plattform, auf der Kunden ihre Reservierungen versteigern könnten, würde die Nachfrage noch besser abbilden. Züge mit einer höheren Auslastung wären teurer, und nur noch jene Kunden mit dem höchstem Nutzen würden noch dafür bezahlen. Die Betreiber selbst könnten eine solche Plattform anbieten, solange sie gleichzeitig daran arbeiten, ihre Kapazitäten so auszuweiten, dass Angebot und Nachfrage schnell wieder zusammenpassen.

Sollten sie das nicht tun, bin ich überzeugt, dass unzufriedene Kunden eine ähnliche Lösung in Eigenregie entwickeln.. Denn die Volkswirtschaftslehre zeigt uns immer wieder aufs Neue: Im Falle eines Ungleichgewichtes setzen sich marktähnliche Mechanismen langfristig fast immer durch.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.