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Natürlicher Tod oder doch Mord? | Wien. Vielleicht ist er ja doch ermordet worden: Tycho Brahe, dänischer Adeliger, Astronom am Hof Kaiser Rudolf II. in Prag, ist, so heißt es in den seriösen Biografien, am 24. Oktober 1601 an den Folgen einer Harnverhaltung gestorben. Nun wird sein Leichnam exhumiert. Das Team von Forschern aus Dänemark und Tschechien will herausfinden, ob die Todesursache korrekt konstatiert wurde.
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Vor zehn Jahren waren Haare Tycho Brahes untersucht und eine ungewöhnlich hohe Konzentration an Quecksilber festgestellt worden. Quecksilber ist ein hochgiftiges Schwermetall. Bei schleichenden Vergiftungen mit kleinen Dosen sind Nieren- und Leberschäden die Folge.
Allerdings war die Giftigkeit des Quecksilbers zur Zeit Tycho Brahes noch unbekannt. Quecksilber spielte zusammen mit Schwefel und Salz als eines der grundlegenden Elemente der Alchemie eine große Rolle und wurde auch als Bestandteil von Arzneimitteln verwendet. Es gab also ausreichend Möglichkeiten, dass der Astronom mit dem flüssigen Schwermetall in Kontakt kommen konnte.
2004 brachten jedoch Joshua und Anne-Lee Gilder ein Buch heraus, das alles in ein neues Licht zu tauschen scheint. In "Der Fall Kepler - Mord im Namen der Wissenschaft" entwickelt das amerikanische Journalistenehepaar eine (wohl an die unhaltbare Legende von der Ermordung Mozarts durch seinen Konkurrenten Salieri angelehnte) abenteuerliche These: Der Mörder Tycho Brahes sei niemand anderer gewesen als der Astronom Johannes Kepler, der sich der Stellung Brahes und seiner Erkenntnisse bemächtigten wollte. Die deutsche Kepler-Gesellschaft gab 2005 dazu eine Stellungnahme heraus, in der die Giftmord-Story der Gilders als "absurd und abstrus" dargelegt wird.
Aber es muss ja nicht unbedingt Kepler der Mörder Brahes gewesen sein. Der dänische Germanist Peter Andersen vertritt die Theorie, Brahe sei auf Anordnung von König Christian IV. von Dänemark von einem entfernten Verwandten ermordet worden. Andersen fand das Tagebuch des schwedischen Grafen Erik Brahe, eines entfernten Vetters von Tycho. Eric Brahe notiert darin immer wieder "Mea culpa" und am 29. September: "Mea magna culpa! (Meine große Schuld!, Anm.) Hab mir das Haupt gewaschen." Tatsächlich war Tycho Brahe dem dänischen König verhasst gewesen. Ob der Hass für den Mordauftrag ausreichte, wird möglicherweise durch die Exhumierung und Untersuchung der sterblichen Überreste geklärt werden. Weitere Legendenbildung nicht ausgeschlossen.
Tycho Brahe auf wikipediaTycho Brahe Museum