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Das Recht ist Grundlage für das Zusammenleben

Von Karl Korinek

Gastkommentare

Manches könnte in Österreich besser werden, wären die rechtlichen Regelungen einerseits funktionsgerechter und überschaubarer und würden andererseits in höherem Maße beachtet und eingehalten. Der ordentliche Umgang mit dem Recht ist Grundvoraussetzung für ein gutes Funktionieren des Zusammenlebens im Staat.


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Recht hat in einem demokratischen Rechtsstaat ganz bestimmte Funktionen. Die rechtlichen Regelungen verschiedener Lebenssachverhalte sollen das Handeln der Staatsorgane vorherbestimmen und damit vorhersehbar und berechenbar machen. Sie sollen jedem Einzelnen Sicherheit im Rechtsverkehr geben. Was immer ich tue, ich soll abschätzen können, ob es rechtens ist, welche Wirkungen es auf andere hat und zu welchen Reaktionen von Seiten des Staates es führen kann.

Anders als in autoritären Systemen ist es im demokratischen Rechtsstaat Sache des Gesetzgebers, die grundlegenden Vorschriften zu erlassen, und Sache der Verwaltung, diese zu konkretisieren und im Einzelfall anzuwenden. Das Ganze funktioniert aber nur, wenn das auf das Gesetz gegründete Recht eingehalten wird und man darauf vertrauen kann, "dass Recht Recht bleibt". Der demokratische Rechtsstaat ist also ein wesentliches Element der Ordnung des Zusammenlebens. Wer - wie mitunter zu beobachten - das Recht als Hemmschuh etwa für wirtschaftliche Entscheidungen oder die Akzeptanz politischen Handelns sieht, verkennt die Bedeutung des Rechtsstaat völlig.

Ein Beispiel: Wirtschaftliche Entscheidungen müssen sich in ihrer rechtlichen Auswirkung abschätzen lassen, sonst kann ein geordneter Wirtschaftsverkehr nicht funktionieren; das ist gerade für eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung ganz wesentlich. Wir schauen heute oft nur auf den Wettbewerb als Voraussetzung für das Funktionieren des Marktes und viel zu wenig darauf, dass der Markt nicht funktionieren kann, wenn die Konsequenzen des Handelns der Marktpartner nicht präzise abschätzbar und berechenbar sind.

Die Vorhersehbarkeit des Handelns ist dort nicht von geringerer Bedeutung, wo Staatsorgane ordnend, intervenierend, kontrollierend oder strafend tätig werden. Dies verlangt geradezu strikte Gesetzesbindung: Die Regeln müssen überschaubar sein, ihre Einhaltung ausreichend kontrolliert und damit sichergestellt werden (Stichwort: Finanzmarktaufsicht). Wir dürfen nicht der Willkür eines Bürgermeisters, öffentlich Bediensteten, Landesrates oder Bundesministers ausgeliefert sein, sondern müssen uns auf gesetzliche Vorschriften verlassen können. Steht das Gesetz einem bestimmten, als sinnvoll empfundenen Handeln entgegen, ist es zu ändern. Aber man darf das Gesetz nicht umgehen oder austricksen.

Freilich muss das Recht bestimmten Kriterien entsprechen, um seine wesentlichen Steuerungsfunktion zu erfüllen: Es muss transparent und verständlich sein, eingehalten werden (die Einhaltung ist zu kontrollieren) und eine gewisse Stabilität aufweisen, damit man sich an ihm orientieren kann.

Karl Korinek war Präsident des Verfassungsgerichtshofes.