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Das Recht und seine Bewertung

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Nach der Veröffentlichung einer redigierten Version des Mueller-Reports verteidigt US-Justizminister Barr seine Entscheidung, Präsident Trump nicht wegen Behinderung der Justiz anzuklagen. Die Opposition schäumt.


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Washington D.C. Eingedenk dessen, was US-Präsident Donald Trump an dem Tag von sich gab, als er von der Einsetzung von Sonderermittler Robert Mueller erfuhr, ist es nachvollziehbar, dass er sich am Donnerstag freute. "Mein Gott. Das ist das Ende meiner Präsidentschaft. I’m fucked": Fast genau zwei Jahre ist es her, dass Trump diese bemerkenswerten Sätze von sich gab. Sie stehen so wörtlich in einer jetzt vom amerikanischen Justizministerium veröffentlichten, redigierten Version des Endberichts des sogenannten Mueller-Reports.

Dessen Veröffentlichung erfolgte vorerst in nicht vollständiger Form: Als Gründe für die Schwärzung bestimmter Namen, Daten und Passagen verwies Justizminister William Barr auf noch laufende Ermittlungen, die mögliche Verletzung der Privatsphäre von darin erwähnten, aber nicht angeklagten Personen, Details von Grand-Jury-Entscheidungen sowie die Angst, geheime Ermittlungsmethoden preis zu geben. Von der von Trump im Vorfeld der Veröffentlichung in Endlosschleife propagierten Botschaft "Keine Kollusion, keine Justizbehinderung, totale Entlastung" kann indes trotz der Tatsache, dass gegen den Präsidenten keine Anklage erhoben wurde, keine Rede sein. Dafür sind die in dem rund 400 Seiten starken, in trockenem Bürokraten-Englisch verfassten Ermittlungsergebnisse zu weitreichend und komplex; zu "sowohl als auch".

Ein prominentes Beispiel aus dem ersten Teil des Berichts, der sich mit der Frage der russischen Interventionen im US-Wahlkampf 2016 beschäftigt: "In Summe ergab die Untersuchung mehrere Verbindungen zwischen Mitgliedern von Trumps Wahlkampf-Kampagne und Individuen im Dienst der russischen Regierung. Im Zuge dieser Verbindungen gab es russische Angebote, der Kampagne zu helfen, von denen manche angenommen wurden, andere nicht." Aber: "Am Ende stellte die Untersuchung nicht fest, dass sich die Kampagne mit der russischen Regierung koordinierte oder sich mit ihr in punkto Wahleinmischung verschwor."

Erzählung in Episoden

Eine Frage der rechtlichen Bewertung, konkret festgemacht an folgender Episode: Im Sommer 2016 sitzt Trump mit seinem - mittlerweile rechtskräftig verurteilten - damaligen Berater Rick Gates in einer Limousine auf dem Weg zum New Yorker Flughafen LaGuardia. Sie unterhalten sich über Wikileaks, das die Kampagne Hillary Clintons sabotierte, indem es vom russischen Geheimdienst aus der Wahlkampfzentrale der Demokraten gestohlene E-Mails veröffentlichte. Trump bekommt einen Anruf. Nachdem er aufgelegt hat, sagt er zu Gates, "das noch mehr schädigende Informationen kommen werden".

Ein Gutteil des entsprechenden Absatzes ist geschwärzt. Dabei seien laut Barr die von seinen Mitarbeitern, den Sonderermittlern sowie Mitgliedern der Geheimdienste gemachten Schwärzungen "begrenzt" - und zwar "im Sinne der größtmöglichen Transparenz".

Ein weiteres Beispiel für die Komplexität der Dinge aus dem zweiten Teil des Berichts, der sich mit der Frage auseinandersetzt, ob sich Trump der Behinderung der Justiz schuldig gemacht hat: "Die Bemühungen des Präsidenten, die Ermittlungen zu beeinflussen, waren großteils nicht erfolgreich, aber das liegt vor allem daran, dass sich die Leute um ihn herum weigerten, seine Befehle auszuführen oder seinen Anfragen nachzugeben."

So hatte Trump etwa Don McGahn, den im Herbst zurück getretenen Anwalt des Weißen Hauses, angewiesen, Mueller zu entlassen - und ihn dann später gedrängt, zu leugnen, dass er ihn je dazu gedrängt habe. Insgesamt werden in Muellers Report zehn Episoden wie diese oder ähnliche aufgelistet.

"Keine Entlastung"

Die genannten Beispiele können aber auch als pars pro toto für den gesamten Mueller-Bericht gelten, der vielleicht nirgendwo perfekter zusammen gefasst ist als in jenem Satz, den Justizminister Barr bereits in der Vorwoche zirkulieren ließ: "Wiewohl dieser Report nicht zum Schluss kommt, dass der Präsident ein Verbrechen begangen hat, entlastet er ihn auch nicht."

Entsprechend lag es am Ende nicht an Mueller, sondern an dem erst seit Februar im Amt befindlichen Barr, darüber zu entscheiden, ob gegen den Präsidenten Anklage erhoben wird oder nicht. Seine Antwort: Nein. Weil Barrs Pressekonferenz, die er anlässlich der Veröffentlichung des Reports einberufen hatte, aber zu einer Total-Verteidigung des Präsidenten geriet - der Justizminister räumte ein, dass er "mit Mueller nicht einer Meinung gewesen sei, was bestimmte rechtliche Theorien angehe" - konnte die Opposition mit Kritik indes kaum mehr an sich halten. Sie hielt dem Minister vor, Trump nicht wegen Anstiftung zum Lügen anzuklagen und verwies dabei auf das Treffen Donald Trump jr. mit einer russischen Anwältin sowie auf Sarah Huckabee-Sanders, die zugab, über die Begleiterscheinungen der Entlassung von Ex-FBI-Chef James Comey gelogen zu haben. Wenn also Barr keine rechtlichen Schritte unternehmen wolle, dann müsse eben der Kongress den Job erledigen - nicht zuletzt schlage Mueller diesen Weg in seinem Bericht selber vor.

Die redigierte Version des Mueller-Reports ist jetzt auf der Website des US-Justizministeriums ( www.justice.gov ) für alle zugänglich.