Zwölf Millionen Wahlzettel müssen in die entlegensten Bergdörfer gebracht werden. Mindestens 40 Prozent der Griechen müssen teilnehmen.
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Athen. Es wird ein Rennen gegen die Uhr: Wenn am Sonntag die Wahllokale in Griechenland öffnen, werden genau 9.855.029 Griechen und Griechinnen über 18 Jahre dazu aufgerufen sein, entweder mit "Ja" oder "Nein" zu folgender Frage zu stimmen:
"Soll der Plan zur Übereinkunft (über die Spar- und Reformforderungen, Anm.), den EU, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds der Eurogruppe am 25. Juni vorgelegt haben und der aus zwei Teilen besteht, angenommen werden? Der erste Schriftsatz hat den Titel ,Reforms for the Completion of Current Program and Beyond‘ (mit genauer griechischer Übersetzung, Anm.) und der zweite Schriftsatz ,Preliminary Debt sustainability analysis‘ (mit genauer griechischer Übersetzung, Anm.)."
Es folgen in dieser Reihenfolge die Antworten, die anzukreuzen sind: "Wird nicht genehmigt/Nein" und darunter "Wird genehmigt/Ja" (siehe Faksimile).
Schon für Ökonomen stellt dies eine kaum verständliche Materie dar. Im Kern weiß aber jeder Grieche nach mehr als fünf Jahren Krisenmanagement genau, um was es dabei geht: Das "Nein" bedeutet eine Ablehnung des rigorosen Austeritätskurses, der im krisengeschüttelten Griechenland seit dem Frühjahr 2010 betrieben wird. Das "Ja" bedeutet hingegen ein "Weiter so!".
Logistisch haben die Hellenen jedenfalls eine Herkulesaufgabe im Eiltempo zu bewältigen. Es ist ein Rennen gegen die Uhr. Insgesamt zwölf Millionen Wahlzettel müssen in Spezialsäcken bis in die entlegensten Bergdörfer in Makedonien und Epirus oder auf die winzigsten bewohnten Inseln in der Ägäis transportiert werden.
Ferner müssen Stempel, Kugelschreiber und Schlösser für die Wahlurnen rechtzeitig beschafft werden. Immerhin: Die die Wahlprozedur beaufsichtigenden Richter und Rechtsanwälte sowie Wahlhelfer werden dieselben wie bereits bei den jüngsten Parlamentswahlen am 25. Jänner sein.
Überdies wird das Informatikunternehmen Singular Logic die Ergebnisse auswerten. Die Firma tat dies bereits bei allen Parlaments-, Kommunal- und Europawahlen in Griechenland seit dem Jahr 1981. Nur die Software muss Singular Logic für das Referendum modifizieren. Der Grund: Einen Volksentscheid gab es seit 1974 nicht - damals wurde über die Monarchie abgestimmt.
An dem Referendum müssen mindestens 40 Prozent der stimmberechtigten Hellenen teilnehmen. Dies sind 3.942.012 Griechen. Sind es weniger, ist der Entscheid ungültig.