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Das Referendum in Venezuela bestätigt die Demokratie des Landes

Von Alexander U. Mathé

Analysen

Auch wenn es aus seinem Mund wie zwangs optimistische Propaganda klingt, mit etwas hat Hugo Chavez wohl Recht: Venezuela ist keine Diktatur. Auch ohne Wahlbeobachter aus der Europäischen Union und der Organisation der Staaten Amerikas konnte die Opposition völlig demokratisch ihr Nein gegen die Verfassungsänderung durchsetzen, mit der der "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" konstitutionell verankert werden sollte.


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Daran ändert auch der auf beiden Seiten ruppig geführte Wahlkampf nichts, der sogar für manches Kuriosum gesorgt hat. Auf der einen Seite soll mancher Oppositionelle bedroht und gar geschlagen worden sein. Auf der anderen Seite sollen Unternehmer für eine künstliche Verknappung des Klopapiers gesorgt haben, um das Resultat etwaiger Folgen des Referendums und der Regierung Chavez plastisch vor Augen zu führen.

Auf einem anderen Blatt steht, was im Falle eines positiven Referendums passieren hätte können. Einige Punkte der von Chavez angestrebten Verfassungsreform bauen eine logische Gedankenkette auf, die für sich selbst spricht: Einführung des kollektiven Eigentums, Pressezensur im Falle der Ausrufung des Ausnahmezustands, unbegrenzte Wiederwahl des Staatsoberhaupts.

Auch das Vorhaben des Präsidenten, das Bildungswesen in dem südamerikanischen Land von "kapitalistischen Werten" befreien und Privatschulen künftig stärker kontrollieren zu wollen, spricht für sich.

Gleichzeitig hat das Nein zur Verfassungsreform gezeigt, dass die Venezolaner hier sehr wohl einen Unterschied zwischen einer momentanen und einer auf unbestimmte Zeit ausgerichteten Politik machen. "Socialismo si, dictadura no" könnte hier das Motto lauten. Umso mehr unterstreicht das Referendum die von manchem Oppositionellen angezweifelte herrschaftliche Legitimität Chavez´, der ja schließlich auch demokratisch gewählt worden ist.

Auch die Opposition weiß, dass sie trotz des erfolgreichen Neins wohl noch zu schwach ist, um Chavez die Stirn zu bieten. So erklärte Studentenführer Stalin Gonzales, der von Chavez-Anhängern und der Polizei letzte Woche bei Protestkundgebungen verprügelt worden ist: "Wenn wir uns zusammensetzen, können wir ein neues Venezuela errichten und es schaffen, dass unser Land vorankommt."

Diese Konzentration auf den Dialog lässt manche Experten hoffen, dass der Anfang der Aussöhnung des gespaltenen Venezuelas angebrochen sei. Denn auch Chavez wird wohl bei aller politischen Macht, die ihm trotz allem noch bleibt, künftig die Opposition stärker einbinden müssen. Bestärkt wird diese Theorie dadurch, dass auch Chavez sanfte Töne anschlägt und erklärt, mit der Opposition reden zu wollen. Und dadurch kommen ja bekanntlicherweise die Leute zusammen. Seite 7