Der syrische Kurdenführer Salih Muslim warnt vor Radikalislamisten.
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"Wiener Zeitung": Wie sehen Sie die derzeitige Situation der Kurden in Syrien? Glauben Sie - wie manche Experten -, dass die Türkei eine Pufferzone um die Grenzgebiete zum Nordirak und Syrien errichten möchte?Salih Muslim: Wenn die Türkei solche Tricks anwendet, dann bedeutet das nicht nur für die Kurden, sondern für die ganze Region nichts Gutes. Die Türkei hat nach wie vor davor Angst, dass die Kurden einen eigenen Staat bilden könnten.
Die Kurden im Irak haben ihre autonome Region, nun geht es den Kurden in Syrien ähnlich: Damaskus hat wenig Einfluss darauf, was in den Kurdengebieten geschieht. Für die Türkei sind die Kurden im Nordirak ein wichtiger Partner.
Die Türkei möchte zu allen Teilen von Kurdistan so eine Beziehung wie sie sie zu Südkurdistan (damit ist der Nordirak gemeint, Anm.) hat. Die Wirtschaft dieser Region wird von der Türkei kontrolliert - etwas Ähnliches schwebt der Türkei wohl für Syrien vor.
Wie sehen Sie und Ihre Partei, die PYD, den Konflikt in Syrien?
Die Muslimbrüder und andere radikalislamische Gruppierungen haben sich von Anfang an auf diesen Konflikt vorbereitet. Als die Demonstrationen losgingen, sind diese Gruppen auch auf uns zugekommen und wollten, dass wir uns an der Revolte beteiligen. Aber wir gehen unseren eigenen Weg und haben unsere eigenen Interessen. Den Salafisten und militanten Islamisten, wie der Al-Nusra-Front, geht es doch nur darum, Syrien zu zerstören.
Genau wegen dieser von Ihnen genannten Gruppen hält sich die Unterstützung des Westens für die syrischen Rebellen in Grenzen.
Diese Gruppierungen haben Training-Camps in der Türkei. Glauben Sie wirklich, die Amerikaner wissen nichts davon? Die Waffen für die Salafisten kommen aus Saudi-Arabien, aus Katar. Glauben Sie, der Westen hat davon keine Ahnung? Der Westen weiß genau, was er tut, man will Syrien schwächen und hat vielleicht für die Zukunft noch ganz andere Pläne für die Region.
Gibt es aus Ihrer Sicht eine Zukunft für Bashar al-Assad in Syrien?
Für Assad, so wie er heute ist, gibt es keinen Platz. Das Regime muss sich radikal ändern, die Diktatur muss beendet werden.
Wir Kurden sind seit vielen Jahren gegen das Regime. 2004 gab es Unruhen in der kurdischen Stadt Qamishli, Anhänger unserer Partei wurden gefangen genommen und gefoltert. Ich selbst saß vier Monate in Einzelhaft in einer Zelle, in der man sich kaum strecken konnte. 2007 haben sie dann meine Frau verhaftet, weil sie meiner nicht habhaft werden konnten. Glauben Sie mir, ich weiß, wozu dieses Regime fähig ist.
Ist das Regime auch zum Chemiewaffen-Einsatz fähig?
Das syrische Regime hat diese Waffen, das weiß jeder und sie würden vermutlich auch nicht zögern, diese gegen das eigene Volk einzusetzen. Aber so dumm, dies ausgerechnet zu dem Zeitpunkt zu tun, wenn UN-Leute in Damaskus sind, ist Assad nicht.
Wer steckt Ihrer Meinung nach dahinter?
Das wird im Moment untersucht. Sicher ist: Assad ist nicht der Einzige, der in Syrien über Chemiewaffen verfügt.
Welche Botschaft haben Sie den österreichischen Gesprächspartnern im Außenministerium überbracht?
Ich habe die Diplomaten davor gewarnt, dass viele Menschen in Europa, darunter auch welche aus Österreich, von radikalen Islamisten in Trainingscamps ausgebildet werden, um in Syrien zu kämpfen. Und ich habe gemeint, wenn diese islamistischen Gruppierungen in Syrien an Macht gewinnen sollten, bedeutet das auch eine Gefahr für den Westen.
Wer wird von wem unterstützt?
Katar unterstützt die Muslimbrüder und Saudi-Arabien hilft anderen Gruppen. Und die Türkei und Katar greifen derzeit gemeinsam Harakat Ahrar Al-Sham unter die Arme, das ist derzeit die mächtigste radikal-islamische Gruppe.
Salih Muslim (geboren 1951 in der Umgebung von Ain al-Arab, Gouvernement Aleppo) ist ein kurdisch-syrischer Politiker und Co-Vorsitzender der kurdischen Partei PYD in Syrien. Muslim ist auch Mitglied im Hohen Kurdischen Komitee, einer Kommission zur Selbstverwaltung der kurdischen Gebiete in Syrien.