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Linzer Stahlkocher öffnen mit Werk in Texas neues Kapitel in Firmengeschichte.
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Wien. Mit Eisen und Texas assoziiert man in der Regel Schießeisen. Nicht so im Linzer Stahlkonzern Voestalpine. Dort denkt man seit Mittwoch nur noch sehnsüchtig an Roheisen aus Texas, das dort für die weitere Verarbeitung in Linz produziert werden soll.
Am Mittwoch gab der Konzern den neuen Standort für seine größte Auslandsinvestition in der Unternehmensgeschichte bekannt. Aus 17 Orten fiel die Wahl auf ein Gelände Nahe der texanischen Hafenstadt Corpus Christi.
Um 550 Millionen Euro errichtet die Voest dort eine Anlage, in die 2016 mit 150 Arbeitern in Betrieb gehen soll. In die Anlage schüttet man - einfach gesagt - oben rohes Erz rein und bekommt unten rohes Eisen raus. Das wird dann per Schiff über Rotterdam und den Rhein-Main-Donaukanal nach Linz verfrachtet. Dort wird aus Roheisen roher Stahl und dann - in vielen weiteren Schritten - hochspezialisierter Stahl etwa für tragende Fahrzeugsäulen im Luxus-BMW oder für extrem robuste Meeres-Pipelines für 4000 Meter Tiefe.
Hin zur Billig-Energie
Der Grund, warum die Voest künftig zwei Millionen Tonnen Roheisen in den USA und nicht mehr in Europa erzeugt, ist federleicht: Gas. Anders als im Hochofen wird das Eisenerz in der neuen Anlage nicht mehr mit Koks auf Roheisen "reduziert", sondern mit Erdgas. Das kostet in den USA im Vergleich zu Europa ein Viertel. "Wir können uns in den USA in einem politisch stabilen Umfeld kostengünstig mit Energie versorgen", sagt Voest-Chef Wolfgang Eder. Der Bau einer vergleichbaren Anlage in Europa sei wegen der zu hohen Betriebskosten nicht realisierbar.
Zurück zur Industrie
Der Schritt der Voest über den Atlantik passt zu den aktuellen Verschiebungen in der globalen Stahlwelt und der Industrie insgesamt. Amerika besinnt sich wieder auf seine Industrie. Während die Stahlproduktion in Europa pro Jahr um rund drei Prozent sinkt, steigt sie in den USA um denselben Prozentsatz.
Auch die EU heftet sich die "Re-Industrialisierung" auf die Fahnen, das "Zurück zur Natur" in Gestalt von strengen Umweltauflagen hat seit den 90er Jahren - Stichwort Kyoto-Protokoll - aber dominiert. Das verteuerte auch die Energie, weil Firmen für Verschmutzung durch Treibhausgase zahlen müssen.
Eder hat die Musterschüler-Rolle der EU ("während sich der Rest der Welt aus Klimaschutz zurückzieht") wiederholt kritisiert und fürchtet bei harten Klimaschutzzielen bis 2020 bis zu einer Milliarde Euro Kosten für seinen Konzern.
Ein solches Korsett schnüren sich die USA nicht freiwillig, auch wenn US-Präsident Barack Obama den Klimaschutz als Priorität betrachtet. Noch wichtiger scheint ihm das Ziel, vom Öl der Saudis unabhängig zu werden. Und dabei spielt wieder Gas eine Schlüsselrolle. Sein Ziel: die USA als weltgrößter Gasproduzent. Fracking heißt das Zauberwort. Dabei wird ein Mix aus Sand, Wasser und Chemikalien in den Boden gepresst, um Erdgas im Boden freizusetzen. Umweltschützer laufen Sturm, doch die Euphorie eines neuen Gas-Rausches überdeckt die Proteste und hält Gas günstig.
Vor einer Abwanderung der Voest von der Donau ans Energieparadies am Golf von Mexiko brauchen die Linzer trotzdem keine Angst zu haben. Denn die eigentliche Produktion des Spezial-Stahls findet weiterhin in Österreich statt; die künftig niedrigeren Energiekosten für den Rohstoff in Übersee helfen, die Bilanz weiterhin zu vergolden. Während die europäische Stahlindustrie wegen der Krise seit Jahren dahinköchelt, peilt die Voestalpine 800 Millionen Euro Jahresgewinn an.