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Das Rennen um die Zukunft des Autos

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Nach Google will auch Apple ein selbstfahrendes E-Auto produzieren. Die klassischen Autobauer geraten massiv in Bedrängnis.


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San Francisco. Es erinnert ein wenig an einen Geheimdienstroman aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Irgendwo in einem abgeschiedenen Labor arbeitet eine Hundertschaft aus Wissenschaftern und Ingenieuren mit enormem finanziellen Aufwand an einem streng geheimen Projekt, das - wenn einmal fertiggestellt - keinen Stein mehr auf dem anderen lässt. Offiziell wird alles geleugnet, dafür gibt es umso mehr Gerüchte.

Doch auch wenn das Projekt "Titan" nach Fiktion klingt, dürfte es alles andere als das sein. Nachdem bereits vor einiger Zeit Hinweise auftauchten, dass der iPhone-Konzern Apple intensiv an der Entwicklung eines eigenen Elektro-Autos arbeitet, haben sich die entsprechenden Indizien zuletzt massiv verdichtet. Laut den Daten des Karriere-Netzwerks LinkedIn haben die Kalifornier in den vergangenen Monaten in erheblichem Maße Experten aus der Automobilbranche eingestellt, darunter auch zahlreiche Ex-Mitarbeiter des amerikanischen E-Auto-Pioniers Tesla sowie Spezialisten für selbstfahrende Autos und Hochleistungsakkus. Auch der bisherige Chef der Entwicklungssparte von Mercedes-Benz im Silicon Valley, Johann Jungwirth, hat mit Apple seit einiger Zeit einen neuen Arbeitgeber.

Und der Elektronik-Gigant aus dem Silicon Valley, der im Ranking der wertvollsten Marken der Welt regelmäßig ganz vorne landet, will offenbar keine Zeit verschwenden. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg, die sich auf einen Insider beruft, will Apple bereits im Jahr 2020 mit der Produktion seines E-Autos beginnen.

Deutlich weniger Unfälle

Mit einem "iCar", das allem Anschein nach auch ohne Zutun des Fahrers seinen Weg finden soll, tritt Apple nicht nur in Konkurrenz zur Google, wo ebenfalls intensiv an selbstfahrenden Autos gearbeitet wird. Viel eher wird das Rennen um die Zukunft der Mobilität wohl zwischen den Internet- und Softwareanbietern einerseits und den traditionellen Autobauern andererseits ausgetragen werden. Wer dabei den Takt vorgibt, ist derzeit allerdings noch völlig offen, zumal im Augenblick noch nicht einmal klar ist, wie das Auto der Zukunft überhaupt aussehen soll.

Festzustehen scheint im Augenblick nur, dass Fahrer-Assistenzsysteme und das sogenannte autonome Fahren große Wachstumschancen haben. Laut der Unternehmensberatung Roland Berger dürfte sich der Markt für Assistenzsysteme bis 2020 mehr als verdreifachen. Die Hersteller versprechen durch die sukzessive Annäherung an das selbstfahrende Auto nicht nur ein Komfortplus, sondern auch ein deutlich sicheres Autofahren. "90 Prozent der Unfälle werden durch Menschen verursacht, nur bei zehn Prozent liegt die Ursache im Versagen der Technik", sagt der Leiter des Allianz Zentrums für Technik, Christoph Lauterwasser. Die Technik könne helfen, Unfälle zu vermeiden. Doch es geht längst nicht nur um das autonome Fahren. Mit vernetzter Verkehrsbeobachtung sollen Autos zum Beispiel nicht nur selbst einparken, sondern vorher auch einen Parkplatz finden.

Die scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten bei Assistenzsystemen und technischen Gadgets wird von den alten und neuen Automobilherstellern aber zwangsläufig eine Richtungsentscheidung verlangen. Und dabei schlagen die große Spieler am Markt offenbar völlig unterschiedliche Wege ein. So will etwa Ford zunächst einmal Fahrer und Auto über Apps mit dem Internet verbinden, um dann mit Hilfe von verbesserter Software- und Sensorleistung Schritt für Schritt den Weg zum selbstfahrenden Auto zu schaffen. Ziel sei ein autonomes Auto für jedermann, erklärte Ford-Chef Mark Fields Mitte Jänner auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas. Dort hat Daimler ein noch deutlich weiter gehendes Konzept präsentiert. Der gezeigte Mercedes-Prototyp war nicht nur in der Lage, selbständig durch den dichten Stadtverkehr zu fahren, die Insassen konnte währenddessen auch mittels Handgesten Informationen über nahe Restaurants abrufen oder Einladungen von Freunden in der Nachbarschaft empfangen. Einig sind sich Mercedes und Ford allerdings in einer Sache. Lenkrad, Gas und Bremspedal sollen auf jeden Fall feste Bestandteile eines Autos bleiben. "Es geht uns ausdrücklich nicht darum, den angenehmen Teil des Fahrens zu automatisieren", sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Gut vernetzt

Deutlich weniger an die automobile Vergangenheit gebunden fühlt man sich dagegen bei den Newcomern. Google arbeitet zwar auch mit Autounternehmen zusammen, will aber gleichzeitig das selbstfahrende Auto von Grund auf neu entwickeln. "Unsere neueste Version hat nur noch zwei Knöpfe - einen grünen zum Starten und einen roten Not-Aus-Knopf", sagt Jens Redmer von Google Deutschland.

In jedem Fall dürfte das Rennen um die Automobilität der Zukunft ein Duell auf Augenhöhe sein. Denn auch wenn Google nicht auf eine mehr als hundertjährige Tradition im Automobilbau zurückblicken kann, arbeiten die Ingenieure des IT-Giganten bereits seit fünf Jahren an ihrer Idee des selbstfahrenden Autos und haben mit einem entsprechend ausgerüsteten Testfahrzeug bereits hunderttausende Kilometer unfallfrei abgespult. Und bei der Vernetzung können die Silicon-Valley-Konzerne von jeher auf deutlich mehr Know-how und vorhandene Strukturen zurückgreifen. Wenn sich Daimler Chef Zetsche derzeit noch betont gelassen gibt, könnte das aber auch ein wenig ein Pfeifen im Walde sein. Denn nicht die zuletzt die jüngste Aufregung um ein geheimes Forschungslabor zeigt, dass sich der Apple-Hype wohl auch problemlos auf vier Räder übertragen lassen würde.