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Helsinki · Das Rennen um das Präsidentenamt in Finnland bleibt spannend: Der Vorsprung von Außenministerin Tarja Halonen im ersten Durchgang bedeutet keineswegs, dass ihr in der Stichwahl | gegen Oppositionschef Esko Aho der Sieg schon sicher ist. Die Sozialdemokratin landete am Sonntag bei 40,0 Prozent der Stimmen, der Zentrumschef kam auf 34,4 Prozent.
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Beide Kandidaten schnitten besser ab als ihre Parteien bei den vergangenen Parlamentswahlen. Der Schlüssel für den zweiten Durchgang sind jedoch die Stimmen des geschlagenen weiblichen
bürgerlichen Lagers, die zusammen über 20 Prozent ausmachen.
Halonen hatte die Sozialdemokraten, das Linksbündnis und den größten Teil der Grünen hinter sich. Sie kann am 6. Februar voraussichtlich mit zusätzlichen 3,3 Prozent Stimmen rechnen, die diesmal die
Grüne Heidi Hautala erhielt. Hautala sympathisiert nach eigenen Worten mit Halonen. Andererseits forderte die grüne Politikerin, dass der Präsident keinesfalls von Lobbyisten abhängig sein dürfe und
die Wahlkampffinanzierung offengelegt werden müsse.
Halonen hat den finnischen Gewerkschaftsbund SAK hinter sich. Hinter Aho steht wiederum der reiche Landwirtschaftsverband, außerdem ist der Zentrumschef auch Präsident des finnischen
Skiverbandes.
Aho konnte außer den Anhängern seiner agrarischen Zentrumspartei auch einen Großteil von konservativen männlichen Wählern auf sich vereinen. Er könnte im zweiten Durchgang einen Teil der Stimmen der
Kandidatin der bürgerlichen Schwedischen Volkspartei, Elisabeth Rehn, bekommen. Die Schwedische Volkspartei und das Zentrum bildeten schon einmal bei den Europawahlen ein Bündnis. Die Anhänger Rehns
könnten der Stichwahl aber auch fern bleiben.
Die Präsidentenwahl ist mehr denn je eine Persönlichkeitswahl, doch Halonen und Aho sind betonte Parteikandidaten. Dies macht die Entscheidung für die Wähler, deren Kandidaten sich am Sonntag nicht
durchsetzen konnten, sehr schwer. Höchstwahrscheinlich sind die konservativen Frauen das Zünglein an der Waage. Für sie ist die Wahl zwischen Halonen und Aho eine Entscheidung zwischen Skylla
und Charybdis.
Halonen ist zwar eine Frau, steht aber für viele Konservativen zu weit links. Sie war in der 68-er-Bewegung aktiv und hat eine radikale Vergangenheit. Halonen ist aus der Kirche ausgetreten, hat
eine außereheliche Tochter und lebt in "wilder Ehe" mit ihrem Lebensgefährten zusammen.
Aho dagegen gehört zwar zum EU-freundlicheren und konservativeren Flügel des Zentrums, aber seine Partei hat die meisten EU-Gegner und vertritt besonders im Norden des Landes auch linke Positionen.
Viele konservativen Frauen möchten außerdem erstmals eine Frau an der Spitze Finnlands sehen und nicht einen Mann, der vielen als Chauvinist erscheint.
Die Konservativen von Parlamentspräsidentin Riitta Uosukainen, die am Sonntag ebenso wie Rehn weit abgeschlagen landete, vertreten gegenüber EU · und auch gegenüber der NATO · eine freundliche
Haltung, was man vom Zentrum keineswegs sagen kann. Die Konservativen sind eine Partei des Südens und der Städte, das Zentrum des Nordens und der ländlichen Gegenden. Dazu wiegt die Last der
Vergangenheit, aus der Zeit des Zentrumspolitikers und langjährigen Präsidenten Urho Kekkonen (von 1956 bis 1981 im Amt) schwer. Er schloss die konservative Partei systematisch von der Macht aus. Der
Parteiobmann der Konservativen, Sauli Niinistö, gab für die Stichwahl keine Wahlempfehlung ab.
Für viele Bürger des EU-Mitglieds und High-Tech-Landes Finnland wird die Wahl zwischen Aho und Halonen äußerst schwierig: Sie müssen sich zwischen einer Frau aus dem linken Flügel der
Sozialdemokraten, die äußerst alternative Werte verkörpert, und einem Mann aus der Partei des Landes und der EU-Gegner, der traditionell konservative Werte betont, entscheiden. Die Schlüsselfrage
ist, wer von beiden die bürgerlichen, urbanen Frauen mobilisieren kann. Sicher ist nichts: Viele Wähler könnten auch zuhause bleiben.