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Da die ukrainischen Sicherheitskräfte schwach sind, formieren sich im Land immer mehr Privatmilizen. Ihre schlechte Ausbildung und Koordination haben bereits tödliche Folgen.
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Kiew. Trotz der jüngsten Friedensbemühungen haben sich Regierungskräfte und Separatisten im Osten der Ukraine am Donnerstag erneut Gefechte geliefert. Spezialeinheiten nahmen Medienberichten zufolge am frühen Morgen in Vororten von Slawjansk und Kramatorsk die Stellungen prorussischer Aktivisten unter Beschuss. Dem ukrainischen Verteidigungsministerium zufolge besetzten Soldaten dabei einen wichtigen Fernsehturm. Interimspräsident Alexander Turtschinow sprach von einem "bedeutenden Erfolg im Anti-Terror-Kampf".
Die bewaffneten Separatisten reagierten mit einem Ultimatum. Sollten sich die Einheiten nicht binnen 24 Stunden zurückziehen, würden sie "zur Offensive übergehen", sagte der selbsternannte Bürgermeister von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow.
In ihrem umstrittenen - und bisher wenig erfolgreichen - Kampf gegen die Separatisten wird Kiew zunehmend auch von privaten Milizen unterstützt. So agiert seit kurzem etwa eine "Volksmiliz Donbass", die eigenen Angaben zufolgen nur aus Freiwilligen besteht, die dafür keine Bezahlung erhalten. "Wir müssen handeln", begründen die Mitglieder der paramilitärischen Gruppe ihren Zusammenschluss in Sozialen Netzwerken - da Kiew zu schwach sei, und immer wieder Teile der nationalen Polizei und Armee auf die Seite der Separatisten wechseln würden. Während der Staat mit dem Auf- und Umbau seiner 480.000 Sicherheitskräfte beschäftigt - um nicht zu sagen überfordert - ist, übernehmen vor allem Unternehmer und Oligarchen die Initiative und helfen bei der Formierung militärischer Verbände, die, so sagen sie, die Sicherheit im Land wiederherstellen wollen.
Die Verbände sprießen mit ungekannter Geschwindigkeit aus dem Boden. So etwa tat sich eine Gruppe von Geschäftsmännern in Charkow zusammen, die eine "Spezialkompanie Charkow-2" finanziert. Der Gouverneur von Dnjepropetrowsk und Oligarch Ihor Kolomojskij gründete das Spezial-Bataillon "Dnjepr-1", der Anführer des Rechten Sektors, Dmitrij Jarosch, die Gruppe "Donbass".
Kaum Training
Die Gruppen, die aufgrund ihrer meist nicht gekennzeichneten Uniformen schwer identifizierbar sind, nehmen teilweise bereits an der Seite der Armee im Osten des Landes an der Anti-Terror-Operation gegen prorussische Rebellen teil. Sie werden von der Führung in Kiew, die froh über jede Hilfe ist, geduldet; manche von ihnen werden als "territoriale Verteidigungseinheiten" in die örtlichen Sicherheitskräfte eingebunden.
Während manche Ukrainer die Formierung und den Einsatz dieser paramilitärischer Gruppen aufgrund der "Überforderung" Kiews begrüßen, sehen andere damit viele unbeantwortete Fragen verbunden. Neben der massiven Bewaffnung verunsichert viele, dass die Männer teilweise bereits nach nur zweitägiger Vorbereitung eingesetzt werden - und das für Aufgaben, für die Spezialeinheiten monatelang trainieren.
Erst am Sonntag lief ein Einsatz einer paramilitärischen Gruppe, die ein Referendums-Wahllokal blockieren wollte, aus dem Ruder. Zwei Zivilisten starben, nachdem Einheimische die Männer vertreiben wollten. In Mariupol feuerte diese Woche einer dieser Gruppen, die gemeinsam mit der Nationalgarde ein Gebäude zurückerobern wollte, bei ihrem Rückzug auf Zivilisten. Acht Menschen starben. Diese Vorfälle schüren bei der lokalen Bevölkerung, die ohnehin kaum pro-Kiew-gesinnt ist, noch mehr Hass auf die neue Führung - und sorgen für mehr Rückhalt für die Separatisten.