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Woher die Tradition des Politischen Aschermittwochs stammt und worum es für FPÖ und DAÖ geht: Hofer muss den Stammtisch überzeugen, Strache eine potenzielle Wählerschaft in Wien.
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Dem Import fremder Traditionen und Brauchtümer steht die FPÖ bekanntlich ablehnend gegenüber. Gewisse Ausnahmen gestatten sich die Freiheitlichen freilich selbst. Den Politischen Aschermittwoch brachten die Blauen über die Grenze nach Österreich, mittlerweile hat sich die bayrische Tradition hierzulande festgesetzt. Heuer finden gleich mehrere Veranstaltungen statt. Die FPÖ wie gewohnt in Ried, die SPÖ zweigeteilt in Judenburg und Apetlon, Linken-Politiker Gregor Gysi auf Einladung der Antifa in Wels - und Heinz-Christian Strache mit der DAÖ in der Wiener Prateralm.
Mit dem religiösen Brauch hat der Politische Aschermittwoch, vor allem in seiner heutigen Ausprägung, freilich gar nichts mehr zu tun. Heringsschmaus und üppiger Bierkonsum gehen mit dem wichtigsten Fastentag der Katholiken nicht zusammen. Außerdem geht es an diesem Tag um Reinigung und Buße. Wutreden kann man zwar noch irgendwie reinigende Wirkung zuschreiben, das Bewerfen der politischen Gegner mit Schmutz, wenn auch nur verbaler Natur, ist dann aber schon das exakte Gegenteil der religiösen Grundidee.
Seinen Ursprung hat die Tradition im bayrischen Vilshofen, rund eine knappe Stunde von Ried entfernt. Dort hatte der linksradikale Bayerische Bauernbund am 5. März 1919 den ersten Politischen Aschermittwoch veranstaltet und zur Enteignung der Großgrundbesitzer aufgerufen. Während die Anfänge in der Zwischenkriegszeit von der Auseinandersetzung zweier Bauernverbände geprägt waren, änderte sich dies nach dem Krieg. Die separatistische Bayernpartei, die 1950 drittstärkste Kraft im Land war, nahm den Brauch auf und attackierte von Vilshofen aus die CSU. Die schickte dann 1953 den jungen und redegewandten Partei-Stellvertreter zu einer Gegenveranstaltung in die Gemeinde an der Donau: Franz Josef Strauß.
Der Aschermittwoch stand im Zentrum des tiefen Konflikts der beiden bayrischen Parteien, deren rhetorische Aushängeschilder, Strauß auf der einen, Joseph Baumgartner auf der anderen Seite, diese Zeit prägten. Am Ende des Faschings durfte es rhetorisch schon noch einmal deftiger werden. Dafür standen diese Veranstaltungen. Während die Bayernpartei ab den 1960ern sukzessive verlor und bald in die Bedeutungslosigkeit rutschte, erwuchs für Strauß ab 1970 ein neuer Gegner - die SPD, die 13 Jahre lang den Kanzler stellen sollte.
Der Politische Aschermittwoch der CSU entwuchs dem Wolferstetter Keller in Vilshofen, wurde zum riesigen Polit-Event und übersiedelte nach Passau in die Nibelungenhalle. Bis zu 8000 Strauß-Fans kamen jedes Jahr, um den CSU-Chef gegen die "Roten" sarkastisch schimpfen zu hören. Die Vilshofner aber waren ihres kleinen Stolzes 1975 verlustig gegangen. Das nützte die SPD, die sich ab dann in den Wolferstetter Keller einmietete. Christian Kern, damals Kanzler, war 2017 Gastredner, heuer gibt die neue SPD-Vorsitzende Saskia Esken ihr Debüt in Vilshofen. Die CSU ist auch nach der Strauß-Ära in Passau geblieben, und der Politische Aschermittwoch hat sich im gesamten Gebiet der Bundesrepublik bis hin zu vielen Bezirksorganisationen verbreitet.
Haider überspannteden Bogen
In Österreich war es Jörg Haider, der diese bayrische Tradition einführte. Freilich, nicht sehr weit. Von Passau nach Ried sind es nicht einmal 50 Kilometer, und kulturell gibt es wenig Differenzen. Und Haider lehnte sich wohl auch an den Strauß-Reden an. Ab 1992 hob Haider jedes Jahr die "Halbe" und ließ es verbal krachen. Anfangs noch mit einer gewissen Zurückhaltung, sich von Jahr zu Jahr aber steigernd. Vor allem, als dann Herbert Kickl als Redenschreiber fungierte. Von diesem stammte auch jene Rede 2001, mit der Haider den Bogen überspannte, als er mit dem Namen des Präsidenten der Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, witzelte. Dieser klagte und verglich sich später mit Haider, der seine Aussagen zurückzog.
Für die FPÖ blieb der Aschermittwoch aber auch unter Strache ein zentraler Identitätspunkt, zumal Kickl weiterhin die Reden verfasste, es also eine rhetorische Kontinuität gab. Im Vorjahr, als Strache Vizekanzler war, gab er sich in der Rieder Jahnturnhalle dann eher schaumgebremst.
Doch nun sind die Zeiten wieder andere. Strache wirft sich für seine Vermutlich-bald-Partei DAÖ ins Zeug, in Ried wird Norbert Hofer seinen zweiten Auftritt haben. Im Jahr der Präsidentschaftswahl wurde Hofer als Eherengast begrüßt, nun muss er die Halle selbst bespaßen. Dass Strache damit in Wien wenig Schwierigkeiten haben wird, ist anzunehmen, das Bierzelt ist sein natürliches Habitat, mit der DAÖ spielt er derzeit aber nur zweitklassig. Als Fernduell betrachtet, werden diese Reden für politische Beobachter nicht uninteressant.
Das Außergewöhnliche hat der Politische Aschermittwoch aber verloren. Die Härte, mit der in diesen Reden die Gegner attackiert werden, ist längst im politischen Alltag angekommen. Die anfängliche mediale Aufregung über Haiders Reden, bei denen er deftig austeilte, ist verschwunden. Sie finden sich heute auch in Presseaussendungen. Der Aschermittwoch ist als Import aus Bayern Teil der österreichischen Politik-Folklore geworden.