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Das Ringen um die Defizitgrenze

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Bei seinem Neujahrsempfang für die französischen Sozialpartner richtete Staatspräsident Jacques Chirac auch Forderungen an Brüssel - und griff die Debatte um eine Reform des Stabilitätspaktes auf. In den kommenden Monaten liegt es am EU-Ratsvorsitzenden Jean-Claude Juncker, die unterschiedlichen Vorstellungen der EU-Staaten auf einen Nenner zu bringen.


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Nicht nur eine Zeit der Vorsätze sondern auch der Wünsche kann ein Jahresbeginn sein. So will Frankreichs Präsident Jacques Chirac bei der Debatte um den Stabilitätspakt die Position seines Landes berücksichtigt wissen. Einmal mehr forderte er gestern, dass Ausgaben für Verteidigung, Forschung und Innovation bei der Berechnung der Defizite eine "spezielle Behandlung" erhalten. Damit solle die Lage von Ländern "in der Rezession oder einer Phase sehr schwachen Wachstums" nicht verschlimmert werden.

Auch Deutschland hat bestimmte Vorstellungen davon, wie die im Stabilitätspakt festgelegte Defizitgrenze von drei Prozent flexibler gehandhabt werden könnte. Ginge es nach den Plänen Berlins, würden die Nettozahlungen an Brüssel aus der Berechnung der Neuverschuldung herausgehalten.

Vorsätze hat ebenso Jean-Claude Juncker gefasst. Seit Jahresanfang ist der luxemburgische Premier und Finanzminister auch EU-Ratsvorsitzender und Präsident der Euro-Finanzministergruppe. Dennoch hat er sich vorgenommen, seinen Zigarettenkonsum auf zehn Stück täglich zu beschränken - und die unterschiedlichen Vorstellungen der EU-Staaten zum Stabilitätspakt miteinander zu vereinbaren. Denn den Anliegen der Defizitländer - Frankreich und Deutschland hatten die Drei-Prozent-Marke überschritten - steht das Postulat vor allem kleinerer Staaten wie Österreich entgegen, am Stabilitätspakt möglichst wenig zu ändern.

Für einige Überlegungen zeigt sich Jean-Claude Juncker nun offener als für andere. So kann er den Vorschlägen Deutschlands mehr abgewinnen als den Forderungen Frankreichs.

Eine flexiblere Handhabung des Stabilitätspaktes könnte mit einer Überarbeitung der Lissabon-Strategie einhergehen. Denn das Ziel, bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu werden, scheint nicht erreichbar. Aufgegeben soll es dennoch nicht werden. Gleichzeitig könnte der Grundsatz verankert werden, dass in Zeiten stärkeren Wachstums die Spielräume zur Sanierung des Haushaltes genutzt werden müssten.

Chirac sieht das ähnlich, wünscht sich aber darüber hinaus eine bessere Abstimmung der Wirtschaftspolitik zwischen den Staaten, der EU-Kommission, dem Europäischen Rat und der Europäischen Zentralbank. Er empfiehlt den EU-Partnern, jährlich Ziele für Euro-Wechselkurs, Wachstum, Inflation, Beschäftigung und Haushalt festzulegen.

Italiens gesenktes Defizit

Auf Erfolge bei der Haushaltssanierung verweist unterdessen Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Im Vorjahr sank das Defizit von 42,7 Mrd. auf 41,5 Mrd. Euro. Dennoch hat auch Italien Schwierigkeiten mit der Einhaltung des Defizit-Kriteriums. Befürchtet wurde für heuer ein Ansteigen auf 4,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Mit einer Begrenzung des Ausgabenwachstums soll das Defizit nun auf 2,7 Prozent gedrückt werden. Doch auch Rom will den Stabilitätspakt aufgeweicht sehen. Die Wünsche sind ähnlich wie jene Frankreichs.