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Das Ringen um Wähler im Osten

Von Oliver Junker

Politik

Berlin - Der eine verspricht vollmundig Milliarden, der andere warnt bedächtig vor Wundern: Lothar Späth (CDU), der schwäbische Joker, und Manfred Stolpe (SPD), der Ex-Landesvater aus Potsdam, sollen für ihre Volksparteien die Wähler Ostdeutschlands erobern. Die aber haben sich oft wählerischer gezeigt als die Stimmbürger der alten Bundesländer.


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Eine Arbeitslosenquote von 17,8 Prozent und rund 50 Prozent Wechselwähler - wer die Wende am Arbeitsmarkt am glaubwürdigsten in den neuen Ländern verspricht, kann am 22. September punkten. So lästern der Macher aus Schwaben und der Mann aus Brandenburg nach Kräften über die Konzepte des Gegners und liefern sich ein hartes Fernduell.

Die Hartz-Kommission entwickle sich mit ihren endlosen Vorschlägen allmählich zu "einer Art Selbstfindungsgruppe", spottet Späth. Derweil beschimpft Stolpe den Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber (CSU) als "Heuchler", der eine "Hysterie der Massenabwanderung" in den neuen Bundesländern schüre. Gerade Bayern werbe gezielt junge ostdeutsche Fachkräfte an. Dabei hatte Späth die Hartz-Vorschläge zunächst noch als "revolutionär" gerühmt, wurde dann aber von Stoiber zurückgepfiffen. Und Stolpe kam erst als Ostbeauftragter von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ins Spiel, als offenbar wurde, dass das Wort Osten im Hartz-Konzept schlicht vergessen worden war.

Ob nun Sonderprogramm der Union mit zwei Mrd. Euro für Kommunen und Mittelstand, oder das von der Hartz-Kommision geplante "Job-Wert-Papier" für Existenzgründungen in den neuen Ländern - Fachleute bewerten beides skeptisch. Der Wirtschaftsweise Bert Rürup hält weder das eine noch das andere Konzept für "richtig überzeugend". Allerdings komme es so kurz vor der Wahl darauf auch gar nicht an, so Rürup: "Es sind ja schon sehr viele Chefsachen-Erklärungen abgegeben worden. Aber wenn jetzt überhaupt etwas bei den Wählern ziehen kann, dann geht es darum, dass man glaubwürdig Hoffnungen erzeugt."

Ähnlich sieht das Parteienforscher Peter Lösche. "Es kommt bekanntlich nie auf die Realität an, sondern auf das Image der Realität." Und bei der Imagepflege sieht er den Brandenburger Stolpe gegenüber dem Schwaben Späth im Vorteil. "Stolpe ist jemand, der gerade in den neuen Bundesländern praktisch hundertprozentige Vertrauenswürdigkeit darstellt, während Späth den Nachteil hat, ein Wessi-Import zu sein."

Immerhin empfiehlt sich das schwäbische "Cleverle" - ehemaliger Ministerpräsident von Baden-Württemberg - als pragmatischer Ostsanierer, der den einstigen volkseigenen Betrieb Carl Zeiss Jena wieder flottmachte, auch wenn er dafür Milliardensubventionen erhielt und 15.000 Leute entließ. Stolpes Erfolge als Ministerpräsident in Brandenburg waren hingegen mäßig.

Stoiber lobt seinen Schattenwirtschaftsminister bei jeder Gelegenheit über den grünen Klee. Der Bayer Stoiber selbst wurde aber jüngst im Osten tüchtig ausgepfiffen.