Joe Bidens Präsidentschaft steht vor einem Scherbenhaufen. Die Ursachen liegen tief.
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Falls spätere Historiker nach einem Datum suchen sollten, an dem die US-Präsidentschaft Joe Bidens zu Grabe getragen wurde, dürfte der 19. Dezember 2021 hoch im Kurs stehen. An diesem vierten Advent erklärte West Virginas demokratischer Senator Joseph Anthony Manchin III., genannt "Joe", seine Ablehnung der ehrgeizigen Investitionspläne Bidens für Soziales und Klimaschutz in der Höhe von 1,75 Billionen US-Dollar (1 Billion entspricht 1.000 Milliarden).
Manchins Stimme ist entscheidend im Senat, der zweiten Kammer des US-Kongresses. Ohne ihn verfügen die Demokraten über keine eigene Mehrheit gegenüber den Republikanern von Ex-Präsident Donald Trump, der im Hintergrund weiterhin die zentrale politische Leitfigur ist. Spätestens bei den Midterm-Wahlen im Herbst 2022 droht den Demokraten dann der finale Machtverlust.
Der Präsident steht politisch vor einem Scherbenhaufen. Zum Pech, der anhaltenden Corona-Pandemie, kommt auch politisches Unvermögen. Biden trat mit dem Versprechen an, die Lager im vergifteten politischen Klima Washingtons wieder zusammenführen und Kompromisse schmieden zu wollen. Dieses "Deal Making" stand einst, in den guten alten Zeiten, die den 79 Jahre alten Präsidenten geprägt haben, im Zentrum der legislativen Arbeit in der US-Politik. Doch davon sind bloß Erinnerungen übrig.
Die Hauptverantwortung dafür tragen die Republikaner, die angesichts einer demografischen Dynamik, die sie bei den Wählerstimmen schon zur Minderheit gemacht hat, ihre institutionellen Vorteile im politischen System der USA mit Methoden verteidigen und ausbauen, die teils die Grenzen des demokratisch Zulässigen überschreiten. Sollte Biden je darauf gesetzt haben, dass sich die Republikaner nach der Niederlage Trumps von diesem abwenden würden, muss er jetzt erkennen, dass er ein Opfer seiner eigenen Erwartungen geworden ist.
Hinzu kommt, dass es dem US-Präsidenten in seiner eigenen Partei an Autorität fehlt. Für die progressive Avantgarde unter den Demokraten, die auf sich allein gestellt auf nationaler Ebene in den konservativen USA nicht mehrheitsfähig sind, ist Biden keine Identifikationsfigur. Letztlich wird er nun, wenn Manchin bei seinem "No" bleibt, zwischen dem linken Flügel seiner Demokraten und den auf Fundamental-Opposition getrimmten Republikanern zerrieben. Es ist das Schlimmste aus beiden Welten. Und das ist längst nicht mehr eine Frage der Personen, sondern des Systems. Auch ein Mehrheitswahlrecht kann gewohnheitsmäßig daran scheitern, klare Mehrheiten zu produzieren.