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Das schlaue Immunsystem

Von Alexandra Grass

Wissen
Derzeit sind es Grippeviren, die es zu bekämpfen gilt.
© corbis

Wie uns bestimmte Proteine besonders schnell etwa vor Grippe-Viren schützen.


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Wien. Verschiedene Eiweißstoffe (Proteine) im menschlichen Körper stehen Gewehr bei Fuß, um Krankheitserreger nach ihrem Eindringen zu bekämpfen. Eine ganz bestimmte Art des Immunsystems ist dabei besonders schnell zur Stelle. Die sogenannten Ifit-Proteine erkennen Viren sofort und sind die ersten Abwehrzellen, die angreifen. Sie halten die Infektion in Schach, bis die langsameren T-Zellen (weiße Blutzellen) Antikörper und andere Helfer des sogenannten adaptiven (erworbenen) Immunsystems tätig werden.

Diese Ifit-Proteine, die "Fußsoldaten" der Immunabwehr, hat ein Wissenschafterteam um Giulio Superti-Furga vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (Cemm) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften nun erstmals entschlüsselt.

Gemeinschaft der Wächter

Viren, die in unsere Zellen eindringen, erzeugen körperfremde Moleküle in Form von genetischem Material - DNA und RNA -, um sich vervielfältigen zu können. Im Gegensatz zur doppel-strängigen DNA ist die RNA einsträngig. Eine dadurch höhere Flexibilität erleichtert ihr die Bildung unterschiedlicher Strukturen. Die wesentliche Funktion der RNA in der Zelle ist die Umsetzung von genetischer Information in Proteine.

Die Soldaten des Immunsystems fungieren wiederum als Wächter und halten ständig Ausschau nach solchen körperfremden Proteinen, die von den Viren produziert werden. Werden also Krankheitserreger entdeckt, wird der Verteidigungsmechanismus der Immunzellen in Gang gesetzt. Dabei arbeiten T-Zellen, Antikörper und die beschriebenen Ifit-Proteine gemeinschaftlich zusammen, um die Eindringlinge abzutöten und damit die Infektion zu stoppen.

Vervielfältigung verhindert

Ifit-Proteine können besonders schnell virales genetisches Material - etwa von Grippe- oder Tollwutviren - von Körpereigenem unterscheiden und dieses bekämpfen. Ihnen kommt damit eine Schlüsselrolle in der Abwehr zu. Da körpereigene RNA nicht angegriffen wird, sind Autoimmunreaktionen, also die "Selbstzerstörung" von Körperzellen, in diesem Fall ausgeschlossen.

Bereits im Jahr 2011 wurde die Eigenschaft dieser Proteine vom Cemm erstmals beschrieben. Nun ist es den Wissenschaftern gelungen, mit Hilfe der sogenannten Röntgen-Kristallographie die komplexe dreidimensionale Struktur der Ifit-Proteine, während diese RNA binden, zu entschlüsseln. Sie haben spezifische Bindungstaschen, die ausschließlich für Strukturen, welche von Viren stammen, groß genug sind.

Die Baupläne der molekularen Abwehr des Menschen werden damit auf molekularer Ebene sichtbar. Die Proteine, von denen es fünf unterschiedliche gibt - Ifit1 bis Ifit5 -, interagieren mit der viralen Erbsubstanz und verhindern damit deren Vervielfältigung.

Ihre Arbeit haben die Cemm-Wissenschafter in Zusammenarbeit mit Forschern der McGill University in Kanada in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Nature" veröffentlicht.

"Die Studie leistet einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der körpereigenen Abwehr gegeben eine Vielzahl von Viren. Die Erkenntnisse können aber auch hilfreich für die Entwicklung neuer Medikamente sein, die gezielt auf Ifit-Proteine gerichtet sind, um die Immunabwehr speziell in der Behandlung von Krebs und Entzündungserkrankungen zu dämpfen", erklärt Cemm-Leiter Superti-Furga.