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Das Schlimmste ist vorbei

Von Thomas Seifert

Leitartikel

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Vorsicht vor allzu großer Euphorie, wenn man Licht am Ende des Tunnels zu erblicken vermeint, es könnte ein herannahender Zug sein. Dieser gut gemeinte Rat ist zu beachten, bevor man angesichts der jüngsten Wirtschaftssignale in der EU in Jubel ausbricht.

Tatsächlich besteht kein Grund für Begeisterung angesichts des weiterhin jämmerlichen Zustands der europäischen Wirtschaft. Die Arbeitslosigkeit in Spanien beträgt noch immer 26,3 Prozent, im Zahlungsverkehr mit Zypern gelten immer noch Kapitalverkehrskontrollen, Griechenland steckt weiter in einer tiefen Krise, für Portugal, Spanien, Frankreich, oder Italien gibt es 2013 laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) keine Aussicht auf Wachstum.

Aber der leidensfähig gewordene europäische Patient ist schon zufrieden, wenn wenigstens der Schmerz ein wenig nachlässt. Und zumindest dieser Zustand scheint nun erreicht: In Spanien waren im zweiten Quartal 225.000 Menschen weniger arbeitslos, das Wirtschaftsklima hellt sich in ganz Europa auf. Die Nachfrage wächst und das führt dazu, dass die Personalmanager wieder darüber nachdenken, mehr Mitarbeiter einzustellen.

Viele europäische Länder haben in der Krise schwere Fehler gemacht: Anstatt den Ausfall der privaten Nachfrage in den Panik-Jahren mit öffentlicher Nachfrage zu kompensieren und damit die Wirtschaft zu stabilisieren, wie John Maynard Keynes das geraten hätte, drehten viele Regierungen den Geldhahn weiter zu, erhöhten Steuern und entließen öffentlich Bedienstete. Von einer gemeinsamen Schuldenbewirtschaftung - Stichwort Eurobonds - wollten die Europäer nichts wissen und anstatt sich den Märkten geeint und selbstbewusst in den Weg zu stellen, galt die "Rette sich wer kann"-Devise eines eiskalten Fiskal-Darwinismus.

Der anfängliche Eifer der EU-Institutionen zur Zähmung der Finanzwirtschaft ist längst verflogen. Und während zur Rettung der Banken Fantastilliarden ausgegeben wurden, hat die politische Klasse auf das europäische Heer der Arbeitslosen beinahe vergessen. Die vergangenen Jahre waren wahrlich kein Ruhmesblatt für die europäischen Eliten. Vielleicht geht es aber nun - trotz aller Fehler, die gemacht wurden - mit der europäischen Wirtschaft endlich bergauf.

Ein wenig Dünger für das zarte Konjunktur-Pflänzchen würde diesmal wohl nicht schaden.