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Das schmutzige Geschäft mit billigem Ackerland

Von Anne Chaon und Otto Bakano

Politik

Hedgefonds und Staaten als Bauern. | FAO-Chef Jacques Diouf spricht von "Neokolonialismus". | Paris/Nairobi. (afp) Saudi-Arabiens König Abdallah nahm die ersten Reiskörner heuer im Frühjahr persönlich entgegen. Sie stammten aus Äthiopien, wo das arabische Land zigtausende Hektar Ackerland gekauft hat. Auch China, Südkorea oder Libyen machen Jagd auf Ländereien in Entwicklungsländern. Inzwischen investieren auch immer mehr Hedgefonds ihr Geld in Äcker der Dritten Welt. Ob Staaten oder Spekulanten, alle setzen auf eine Gleichung: Es leben immer mehr Menschen auf der Welt. Mehr Menschen haben mehr Hunger, weshalb die Preise für Böden und Lebensmittel steigen werden.


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Zwischen 15 und 20 Millionen Hektar wurden seit 2005 laut UNO-Schätzungen von Dritte-Welt-Ländern an andere Staaten oder private Investoren verkauft oder verpachtet. Das entspricht einem Fünftel der europäischen Ackerflächen. Der Chef der UNO-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO), Jacques Diouf, spricht von "Neokolonialismus". Denn die Käufer-Länder sichern sich die Ernte von Ländern, die oft auf Nahrungsmittel-Importe angewiesen sind.

Die genauen Zahlen der Land-Deals kennt niemand. Die meisten der Verträge werden im Geheimen geschlossen. "Man verramscht Millionen Hektar Ackerland mit einem dreiseitigen Vertrag", sagt Olivier de Schutter, der UNO-Sonderbeauftragte für das Recht auf Nahrung. "Das passiert alles über die Köpfe der Bevölkerung hinweg." Auf dem G8-Gipfel der führenden Industrienationen in L´Aquila hätte deshalb mehr Transparenz bei den Geschäften vereinbart werden sollen. Doch die Staatschefs konnten sich nicht darauf einigen.

Nahrungsbusiness in großem Umfang

So geht das weltweite Land-Roulette weiter: China kaufte in der Demokratischen Republik Kongo rund 2,8 Millionen Hektar Land, um dort Palmöl für Bio-Energie anzubauen. Libyen baut Reis auf 100.000 Hektar im westafrikanischen Mali an. Das Emirat Katar wiederum bekam von Kenia zehntausende Hektar Land.

Widerstand gibt es bisher nur selten. In Madagaskar wollte sich der südkoreanische Mischkonzern Daewoo die Rekord-Fläche von 3,2 Millionen Hektar sichern, eine Fläche so groß wie Belgien. Straßenproteste, die sich auch gegen den Deal richteten, fegten den Präsidenten Marc Ravalomanana im März aus dem Amt.

Die Länder, die Ackerland kaufen, argumentieren, dass sie Geld und Technologie ins Land bringen, um die Landwirtschaft zu entwickeln. Auch Kritiker sehen hier eine Chance. Gut kontrolliert, könnten die Investitionen "eine Bereicherung für die ländlichen Gebiete darstellen", sagt UNO-Berichterstatter de Schutter. "Dazu muss man den Menschen aber garantieren, dass ein Teil der Ernte auch am Ort bleibt."

Solche Forderungen interessieren bei der Jagd auf Land bisher kaum. Inzwischen fahnden nicht mehr nur Staaten nach Flächen in der Dritten Welt. Die Investmentfonds heißen Agri-Vie oder Agricapital. Sie sammeln Hunderte Millionen Euro ein, um sie in Ackerland in Entwicklungsländern zu stecken. Sie hoffen auf eine Preisexplosion bei Lebensmitteln, wenn die Weltbevölkerung in den kommenden Jahrzehnten rasant steigen wird.