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Das schöne Bild im blinden Spiegel

Von Judith Belfkih

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Die Ansprüche an Kunst sind höchst unterschiedlich. Auch von Opernbesuchern. Nicht-Operngeher werfen dieser Gruppe von Musikliebhabern mitunter vor, im Musiktheater vor allem museale Neigungen zu pflegen und damit den Blick in die eigene Gegenwart zu verweigern. Ein Vorwurf, den all jene, die Opernaufführungen nicht nur der Pausen-Promenaden wegen besuchen, entrüstet entkräften können.


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Oper ist Ton gewordene menschliche Emotion. Und die wiederum ist, entsprechend kunstvoll in Klänge und Bilder gekleidet, von zeitloser Gültigkeit. Wie die meisten Opernstoffe. Liebe und Sehnsucht, Mord und Tod - dass Operngeschichten dennoch nicht aus dem Lebensalltag gegriffen sind, macht Sinn. Oper ist die Reduktion auf den Kern einer Emotion, die Erhöhung eines menschlichen Mechanismus auf allegorische Höhen. Im Schutz des dunklen Zuschauerraumes kann nach Belieben mitgemordet, geliebt und gerächt werden. Im abgründigen Spiegel der eigenen Fantasie. Delegierte Ausbrüche im Schutzraum der Kunst, die die Realität befreien können.

Warum das Wiener Publikum die Regisseure der letzten Staatsopern-Premieren ausbuhte? Sie lieferten keinen allegorisch überhöhten Blick in den Spiegel, sondern bloß schicke Ablenkung. Die jedem Kritiker recht gibt. Oper in schönen Bildern einzufrieren bedeutet, sie ins Museum zu verbannen. Und ihr damit ihre Lebendigkeit und ihre Daseinsberechtigung zu rauben.