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50.000 Einwohner und 600 Banken. | George Town zählt zu den Top-Finanzplätzen. | 5,8 Milliarden Dollar stammen aus Österreich. | Der massive Druck, den die USA, Deutschland und andere große Industriestaaten auf Steueroasen ausüben, hat nicht nur in Österreich zur Lockerung des Bankgeheimnisses geführt. Kurz vor dem G20-Treffen in London in der Vorwoche ließ er auch die britische Kronkolonie Cayman Islands einlenken: Die Regierung des winzigen Inselstaates in der Karibik, der sich bei Superreichen, international operierenden Banken, multinationalen Konzernen und professionellen Steuerhinterziehern größter Beliebtheit erfreut, gab überraschend bekannt, dass sie mit einigen Ländern Steuerabkommen abschließen werde - nämlich mit Irland, den Niederlanden, Japan und Südafrika.
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Damit reagierte die Insel auf den unerfreulichen Umstand, dass sie kurz zuvor (wie Österreich, Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg) auf einer von der OECD zusammengestellten Liste gelandet war, die sich laut Meinung der Organisation nicht oder nur mangelhaft zum Austausch von Steuerdaten anderen Staaten gegenüber bereit erklären würden.
Schon Anfang März waren solche Verträge mit den skandinavischen Staaten abgeschlossen worden - für den Finanzminister ein Beleg, dass Cayman Islands "nicht mit Geheimnissen und unrechtmäßigen Steueraktivitäten Geschäfte machen". Der Inselstaat, der als "Schweiz der Karibik" angepriesen wurde, will mit dieser mustergültigen PR-Aktion sein Image aufpolieren. Er zeigt sich scheinbar bereit, die OECD-Standards für den bilateralen Informationsaustausch nicht mehr so hartnäckig zu ignorieren wie bisher.
George Town: 80.000 Firmen sind registriert
Das kleine Karibik-Eiland, das früher hauptsächlich Schildkröten und Muscheln exportiert hat, lebt fast ausschließlich davon, ausländische Vermögen und Firmen anzulocken und diesen weitgehende Steuerfreiheit und ein perfekt funktionierendes Bankgeheimnis zu bieten. Anfang der Siebzigerjahre kamen die ersten Banken, die ihre Niederlassungen wegen politischer Unruhen von den Bahamas nach George Town verlegt haben.
Die Hauptstadt am türkisblauen Ozean zählt mittlerweile trotz lediglich rund 20.000 Einwohnern neben New York, London oder Tokio zu den wichtigsten Finanzplätzen der Welt.
Obendrein gilt sie als Welthauptstadt der Hedgefonds. Neben lokalen Banken - wie Cayman National Bank, Butterfield Bank oder First Caribbean International Bank - sind in der Stadt insgesamt 600 Banken, 500 Versicherungen und rund 9000 Investmentfonds aus aller Welt präsent: manche nur mit einem winzigen Büro, andere bloß mit einer Telefonnummer.
Klingende Namen wie Bank of Bermuda, Banco Do Brasil, Bank of China, Bank of America, Credit Lyonnais, Deutsche Bank, LGT Bank Liechtenstein oder die Royal Bank of Canada genießen nicht nur das faszinierende landschaftliche Ambiente und die malerischen Kokospalmen, sondern vor allem die steuersparenden Rahmenbedingungen. Auch rot-weiß-rote Kreditinstitute wie die Erste Bank oder die Bank Austria, die darüber natürlich nichts preisgeben, tummel(te)n sich gerne in diesem Refugium für Kapitalisten.
Kürzlich hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich mit der Schätzung aufhorchen lassen, wonach Österreichs Banker auf Cayman Islands mit 5,8 Milliarden Dollar engagiert sein sollen - weitaus mehr, als in anderen Offshore-Zentren wie Jersey, Hongkong, Singapur oder den Westindischen Inseln geparkt ist.
Die zahlreichen Österreicher, die so wie Julius Meinl oder Austrian Airlines eine Vorliebe für exotische Steuerparadiese auszeichnet, leisten in George Town allerdings nur einen bescheidenen Beitrag zum Wohlergehen der Insel. Denn laut vorsichtigen Schätzungen sollen in der Kronkolonie alles in allem mehr als 1,7 Billionen US-Dollar Fluchtkapital untergebracht sein. Die cleveren Banken, aber auch rund 350 raffinierte Anwälte betreuen rund 80.000 registrierte Unternehmen, die allesamt auf Anonymität, Diskretion und Steuersparen höchsten Wert legen.
Allein die prominente Anwaltssozietät Maples & Calder, deren 90 Juristen geballtes Know-how bieten, soll die offizielle Anschrift von 14.000 ausländischen Briefkastenfirmen sein, deren Hintermänner in New York, London, Paris, Amsterdam oder Berlin von Einkommen-, Vermögens-, Gewerbe- oder Erbschaftssteuern nichts wissen möchten.
Russen-Mafia und Drogen-Millarden
Die tüchtigsten Treuhänder in dieser Null-Steuer-Oase üben 1000 bis 3000 Mandate gleichzeitig aus. Sie stehen beispielsweise Milliardären aus aller Welt zu Diensten, die hier Trusts und Stiftungen mit virtuellen Domizilen gründen, um ihre Vermögen, Aktienpakete, Unternehmensanteile oder Immobilien steuerbegünstigt zu verwalten.
Die Gründung eines Unternehmens, das unterschiedlichen Steuerumgehungen dienen kann, dauert bisweilen nur einen Tag, höchstens aber zwei Wochen, und kostet ein paar tausend Dollar für Anwalt und Gebühren. Die beliebteste Gesellschaftsform ist die "Exempted Company", die nur außerhalb der Cayman Islands Geschäfte abwickeln darf. Steuersatz: Null.
Wenn eine solche Firma mit mehr als zwei Millionen Dollar Kapital ausgestattet ist, sind jährlich 2400 Dollar an die Regierung abzuführen. Für eine "Non-Resident Company" mit weniger als 50.000 Dollar sind lediglich 488 Dollar pro Jahr zu berappen. Offiziell gibt es zwar eine Buchhaltungs- und Bilanzierungspflicht, doch in der Praxis werden die Bücher nicht überprüft. Ein knapper Jahresbericht, in dem die Aktionäre nicht genannt werden, reicht vollauf. Eine jährliche Aktionärsversammlung ist nicht erforderlich.
Die Kronkolonie, die sich ausschließlich aus den 20-prozentigen Importzöllen sowie den Gründungs- und Jahresgebühren der ausländischen Firmeninhaber finanziert, ist schon seit längerem speziell dem US-Fiskus ein Dorn im Auge. Immerhin beschert ihm die Insel, wie alle anderen Steuerparadiese, einen monströsen Steuerausfall. Das internationale Tax Justice Network in London schätzt, dass allen Herkunftsländern des Fluchtkapitals pro Jahr durch die Steueroasen fast 300 Milliarden Dollar durch die Lappen gehen.
Die Regierung weiß, dass auf den drei Insels des Archipels mittlerweile rund 6000 Internet-Banker tätig geworden sind, die per Notebook schmutzige Dollar-Milliarden der Mafia verschieben.
Abgesehen von - wenn der Ausdruck angebracht ist - vielen seriösen Banken aus aller Welt sowie unzähligen Superreichen und Unternehmern aus Asien und Europa zählen die Fans der Cayman Islands nicht immer zur feinsten Sorte: So haben Drogen-Barone und die Russen-Mafia längst erkannt, wie ungestört man im weltweit wohl schönsten Steuerparadies Schwarzgelder reinwaschen kann.
Das publicity-trächtige Einlenken der Karibik-Insel vor dem G20-Gipfeltreffen scheint also nicht von ungefähr zu kommen.
Wissen
Die Cayman Islands sind eine Inselgruppe in der Karibik, die aus Grand und Little Cayman sowie Cayman Brac besteht. Sie liegen 240 Kilometer südlich von Kuba und 270 Kilometer nordwestlich von Jamaika. Entdeckt wurden sie 1503 von Christoph Kolumbus. Ursprünglich waren sie nach Schildkröten ("Las Tortugas") benannt, heute tragen sie den Namen einer einheimischen Echsenart.
Die Inselgruppe ist 262 Quadratkilometer groß und hat fast 50.000 Einwohner. Sie hat den Status einer britischen Kronkolonie mit innerer Selbstverwaltung. Hauptstadt ist George Town, wo die meisten international tätigen Banken mit Filialen präsent sind. Landeswährung ist der Cayman Island Dollar, Euro werden als Zahlungsmittel nicht akzeptiert. Der Regierungschef heißt Kurt Tibbets, der Governor Stuart Jack. Die nächsten Wahlen finden am 20. Mai 2009 statt.
Von Hurrikan verwüstet
Im September 2004 wurde Grand Cayman vom Hurrikan "Ivan" schwer verwüstet. 90 Prozent der Häuser waren beschädigt, die Strom- und Wasserversorgung fiel monatelang aus. Dank eines Wiederaufbauprogramms wurde die Infrastruktur binnen zwei Jahren wieder hergestellt.
Der Lebensstandard ist hoch, das Pro-Kopf-Einkommen von etwa 45.000 Dollar liegt etwa auf dem Niveau der Vereinigten Staaten und damit über jenem Österreichs. Die Lebenshaltungskosten sind wegen der Importzölle um etwa 20 Prozent höher als in den USA. Der Tourismus sorgt für etwa 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Reisezeit: 28 Stunden
Wer geschäftlich in George Town, der Hauptstadt der Cayman Islands, zu tun hat oder dort Urlaub machen möchte, der muss sich auf eine exklusive Expedition gefasst machen, bis er endlich am Owen Roberts International Airport landet: Die Anreise mit British Airways dauert ab Wien samt Übernachtung in London fast 28 Stunden, der Rückflug immerhin 17 Stunden. Das First Class-Ticket kostet, hin und zurück, rund 8600 Euro, für Business Class zahlt man 5100 Euro, Economy ist schon um 1578 Euro zu buchen. Für An- und Rückreise hat die britische Airline ab Wien drei Flüge pro Woche parat.
Eine Nacht im 5-Stern-Luxushotel "Grand Cayman Beach Suites" schlägt mit 3000 Euro zu Buche - ohne Frühstück, dafür logieren Kinder gratis. Wer sich mit drei Sternen begnügt, kommt im "Comfort Suites" schon mit 376 Euro durch. Ausgesprochen günstig ist die 6,5-stündige Sightseeing Tour: 73 Euro. Für einen Leihwagen (Kleinwagen) sollte man 50 Euro pro Tag rechnen.