Schweden zeigt, wie man ohne Lockdowns durch die Pandemie kommt. Das hilft aber leider nichts.
Unter den überzeugten Gegnern der bisherigen Corona-Maßnahmen, die Masken, Lockdowns und all die anderen Restriktionen für mehr oder weniger sinnlos halten, gilt Schweden als Musterland der weitgehend schmerzfreien Pandemiebekämpfung. Tatsächlich ist dort die Zahl der täglichen Covid-Toten mittlerweile nahe null, auch die Belastung der Spitäler hält sich in überschaubaren Grenzen. Und das alles, obwohl es von Anfang an keine Ausgangssperren, keine großflächigen Schließungen von Geschäften und Restaurants oder des sonstigen öffentlichen Lebens gegeben hat.
Haben jene, die von Anfang an gegen die hierzulande verhängten gravierenden Maßnahmen waren, am Ende doch recht? Stimmt gar, was Johan Carlson, Chef der schwedischen öffentlichen Gesundheitsbehörde, im Frühjahr selbstbewusst behauptete? "Wir haben recht behalten." Und müssen wir, angesichts weltweit wieder beginnender Lockdowns, etwa in China, entsprechende Konsequenzen für die Zukunft ziehen und "Team Schweden" werden?
Gemessen an der Zahl der Covid-Toten eher nicht: Liegt Österreich bei derzeit 10.700, hat Schweden (bei unwesentlich mehr Einwohnern) 14.700 zu beklagen. Das ist pro Kopf auch deutlich mehr als in den skandinavischen Nachbarländern, die einer klassischen Lockdown-Politik gefolgt sind.
Die spannende Frage - schlimmstenfalls auch die Corona-Zukunft betreffend - lautet: Taugt der schwedische Weg mit seinen wenigen Verboten und vielen Appellen nicht insgesamt genauso gut, ohne die verheerenden, vor allem auch ökonomischen Schäden der Lockdown-Politik in Kauf nehmen zu müssen?
Kompakte Antwort: In Schweden vermutlich schon, in vielen anderen Staaten aber eher nicht. Denn retrospektiv zeigt sich: Dass Schweden nicht viel härter vom Virus getroffen wurde, liegt vor allem daran, dass soziale Kontakte im Wesentlichen genauso reduziert wurden wie in Lockdown-Staaten. Was wohl daran lag, dass die Schweden staatliche Empfehlungen so befolgen, als wären es Gesetze. Ganz besonders, wenn es um die Gesundheit geht. Die Schweden sind halt so.
So gab es in der Osterwoche 2020 zwar kein Reiseverbot innerhalb Schwedens, aber eine Aufforderung der Regierung, doch bitte zu Hause zu bleiben. Mit dem Ergebnis, dass sich laut Mobilfunkdaten 90 Prozent aller Handys nicht im Lande bewegten, die Zahl der Autofahrten von und nach Stockholm um 80 Prozent sank und der größte Fährenbetreiber meldete, dass 85 Prozent aller Passagen storniert worden waren.
Und das alles, ohne dass die Regierung, so wie in den anderen europäischen Staaten, Verbote erlassen hat.
Deshalb ist die Frage, ob Lockdowns notwendig sind oder nicht, und ob Schweden nicht der Beweis für deren Nutzlosigkeit ist, wohl eher die falsche Frage. Denn von zentraler Bedeutung ist ganz offenbar, dass die Zahl der sozialen Kontakte massiv reduziert wird - ob dazu ein Gesetz oder bloß eine Aufforderung notwendig ist, ist letztlich eine Frage kultureller Unterschiede und wenig spannend. Lehren für die Zukunft lassen sich aus dem Fall Schweden jedenfalls nur bedingt ziehen.