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In Pensionsdebatten sind jene ruhig, die um ihre Pension zittern müssen.
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Wien. Es war nur ein Nebensatz von Michael Spindelegger. Doch der hat im Wahlkampf das Thema Pensionen frühzeitig gezündet. Der ÖVP-Chef überlegte laut, das gesetzliche Frauenpensionsantrittsalter (60) schon vor 2024 etappenweise auf jenes der Männer (65) anzuheben. Postwendend warnte ihn die "Kronen-Zeitung" verklausuliert vor "Pensionsraub" und seit Freitag plakatiert die SPÖ: "Kämpfen wir gemeinsam dafür, dass die Pensionen nicht angetastet werden." Die ÖVP gelobt, das Thema nicht mehr anzusprechen. Alles beim Alten. Und die Jungen? Die blieben ruhig.
Sind auch sie mit dem "Wir" der SPÖ-Kampagne gemeint? Sollen auch Sie für die Pensionen der Eltern und Großeltern kämpfen? Oder sind sie gar nicht betroffen? Natürlich sind sie das. Im Vergleich zu den jetzigen Pensionen werden ihre Pensionen schon jetzt mehr als angetastet - durch Pensionskürzungen, die sie voll treffen werden, eine Hacklerregelung, die noch immer wie ein Schlag ins Gesicht der Jungen nachwirkt und Bundeszuschüsse für Beamten-Pensionisten, die jene für Normal-Versicherte um das Vierfache übersteigen. Ein Pensionsgap zwischen junger und alter Generation von bis zu 50 Prozent bei schlechter Erwerbsbiografie ist realistisch geworden. Dazu kommt, dass steigende Arbeitslosigkeit, Alterung und stagnierende Löhne die Finanzierung des Systems zunehmend erschweren.
Wenn Frauen ein Jahr später in Pension gingen, würde das theoretisch 300 Millionen Euro ersparen. Würde das reale Pensionsalter von 57 Jahren bei Frauen und 59 Jahren bei Männern nur um einen Monat steigen, würde das 116 Millionen Euro bringen. Doch während das Antrittsalter in vier Jahren um vier Monate stieg, lief die Lebenserwartung der Bevölkerung um sieben Monate davon.
Doch in der SPÖ wehrte sich kein Junger gegen das "Wir" und in der ÖVP applaudiert kein Junger dem Halbsatz seines Parteichefs. Nur die Neos rufen den Generationenkonflikt aus und warnen vor "Pensionsraub" an den Jungen (siehe Interview).
Der Chef der Sozialistischen Jugend, Wolfgang Moitzi, hält den Generationenkonflikt, auf den die neue Partei setzt, für konstruiert. Er sieht den Konflikt vielmehr zwischen Arm und Reich. Deswegen sollten auch Kapitaleinkommen für die Finanzierung des Sozialstaates miteinbezogen werden. Und der sieht den einzigen Ausweg in einer radikalen Abkehr vom "Neoliberalismus", der mit seinem "Brachialsparkurs" ein "Anschlag auf die Jugend" sei. "Die Pensionen wären locker finanzierbar, würden nicht Lohnquoten seit Jahrzehnten sinken, Arbeitslosenzahlen steigen und gleichzeitig Steuern für Unternehmen gesenkt."
Arbeitsmarkt entscheidet
Was das konkrete Pensionssystem betrifft, sieht er auf Nachfrage sehr wohl Anpassungsbedarf. So sollten bei dem schrittweise anvisierten Durchrechnungszeitraum von 40 Jahren die zehn schlechtesten Jahre abgezogen werden dürfen. Das hilft Menschen mit erratischer Erwerbsbiografie. Die Junge ÖVP plädiert für ein Bonus-Malus-System. Das heißt, wer früher geht, bekommt weniger Pension, wer später geht mehr.
Moitzi fordert zusätzlich den verschärften Kampf gegen "ausbeuterische Verhältnisse, prekäre Jobs und schlechte Löhne" am aktuellen Arbeitsmarkt - auch von seiner eigenen Partei. Der Arbeitsmarkt ist tatsächlich der Schlüssel auch für die Pensionen.
"Die Sorge um die Pension muss die Sorge um den jetzigen Arbeitsplatz und das jetzige Einkommen sein", sagt Christine Mayrhuber vom Wifo. 25-Jährige mit guten Einkommen und stabilen Erwerbsverläufen müssten sich keine Sorgen um ihre Pension machen. Umso größere Sorgen müssten sich jene machen, die spät oder schlecht in den Jobmarkt ansteigen, die unregelmäßig oder oft Teilzeit arbeiten.
Die Junge ÖVP setzt auf mehr Jobs für die Jungen - geschaffen durch eine "entfesselte" Wirtschaft. Und sie will eine flachere Einkommenskurve, damit die Jungen schon früher mehr verdienen und die Älteren für die Firmen nicht zu teuer werden.
Hier hat Österreich tatsächlich ein massives Problem. Im Vergleich zu anderen Ländern huldigt die heimische Wirtschaft der Jugendlichkeit. Die Beschäftigungsrate der Älteren ist im Keller. "In den USA, Schweden oder den Niederlanden sind Betriebe viel stärker gefordert, ältere Menschen nicht zum alten Eisen abzuschieben. Die sind uns Jahre voraus", sagt Mayrhuber.
Das führt dazu, dass 60 Prozent der Frauen, die regulär mit 60 in Pension gehen, vorher nicht gearbeitet haben oder arbeitslos waren. Was zum Streit ums Frauenpensionsalter führt. Eine frühere Anhebung würde diese Frauen besonders treffen - und mehr Arbeitslose produzieren.
Mayrhuber: "Wenn ich das Antrittsalter anhebe, muss ich gleichzeitig Maßnahmen setzen, dass Leute die Chance haben, länger zu arbeiten. Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters spart nur Geld, wenn der Arbeitsmarkt für Ältere neu aufgestellt wird." In den USA zahlen Firmen höhere Sozialbeiträge, wenn sie überdurchschnittlich viele Ältere feuern.
In Deutschland sorgt indes ein sogenanntes "Generationen-Manifest" von Künstlern und Intellektuellen wie Marius Müller-Westernhagen für Aufsehen: "Die Generation der Eltern und Großeltern betreibt fahrlässige Besitzstandswahrung auf Kosten ihrer Kinder und Enkel." In Österreich ist der "Generationenvertrag" noch nicht "einseitig aufgekündigt", wie es weiter heißt - zumindest innerhalb der großen Parteien.