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Das schwere Los der Leiharbeiter

Von Stefan Meisterle

Wirtschaft
Zeitarbeit boomt: Der Weg zu einem Arbeitskräfteüberlasser erfolgt jedoch meist unfreiwillig. Foto: fotolia

Problematische Arbeitsrealität trotz rechtlicher Vorgaben. | Personalüberlasser wollen Stehzeiten häufig vermeiden. | Wien. Erfolgsmodell, Zukunft der Arbeit und Antwort auf Flexibilitätsansprüche: Der Leiharbeit wurden bereits zahlreiche schmückende Umschreibungen verpasst. Über 75.000 überlassene Arbeitskräfte waren im Februar bei den Sozialversicherungen gemeldet - rund 15.000 mehr als im Jahr zuvor. Für viele Jobsuchende ist der Weg zu einem Arbeitskräfteüberlasser jedoch kaum freiwillig. Denn die Arbeitssituation für Leiharbeiter ist trotz gesetzlicher Absicherung oft problematisch.


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"Leiharbeit ist eine stark wachsende Branche, bleibt aber eine prekäre Beschäftigungsform. Leiharbeiter werden in Krisenzeiten als erste in die Arbeitslosigkeit geschickt", erläutert Helga Oberleitner von der Produktionsgewerkschaft Pro-Ge. Häufig verhindere diese Zwangslage, dass Leiharbeiter zu ihrem vollen Recht kommen. Recht, das im Arbeitskräfteüberlassungsgesetz eigentlich klar definiert wäre.

So soll die Gleichstellung der überlassenen Zeitarbeiter mit Stammkräften in den beschäftigenden Betrieben garantiert sein. Das funktioniert auch in einigen Bereichen wie etwa beim Gehalt. Für Zeitarbeiter gilt neben einem eigenen Kollektivvertrag (KV) für Arbeitskräfteüberlassung auch das Günstigkeitsprinzip: Wird in dem beschäftigenden Betrieb ein KV angewendet, der höhere Mindestbezüge als der Arbeitskräfteüberlassungs-KV vorsieht, wird der Zeitarbeiter auch nach diesem entlohnt. Es gilt: "Der Zeitarbeiter muss beim Lohn dem Stammarbeiter gleichgestellt sein", fasst Oberleitner zusammen. Das gilt im Übrigen auch für den Anspruch auf Urlaub oder Gleitzeitregelungen.

"Die Unart der einvernehmlichen Lösungen"

Doch die vom Gesetzgeber intendierte Gleichstellung funktioniert in vielen Bereichen nicht. "Es wird viel mit der Unart einvernehmlicher Lösungen gearbeitet", kritisiert Arbeitsrechts-Expertin Irene Holzbauer von der Arbeiterkammer Wien. So sehen sich Leiharbeiter etwa nach Ende eines Beschäftigungseinsatzes oder bei Antritt eines Krankenstandes und Urlaubs häufig mit dem Vorschlag einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses konfrontiert. "Arbeitskräfteüberlasser verwenden einvernehmliche Lösungen wie die berühmte Karotte vor der Nase. Leiharbeiter werden mit der Aussicht auf eine spätere erneute Anstellung geködert. Und stimmen so der einvernehmlichen Lösung zu", sagt Holzbauer. "Wenn im Krankenstand oder statt Stehzeiten eine einvernehmliche Lösung getroffen wird, kann diese nachträglich nicht mehr beseitigt werden", warnt die AK-Expertin. Der Arbeitskräfteüberlasser erspart sich somit Kosten, die durch die Stehzeiten anfallen würden. Der Leiharbeiter hingegen fällt um seine gesetzlichen Ansprüche auf Urlaub, Krankenstand oder Bezahlung in Stehzeiten um.

Auch beim Arbeitskräfteüberlasser Trenkwalder, der 8000 Leiharbeiter unter Vertrag hat, ist man sich dieser Problematik bewusst. "Normalerweise ist es eine Kunst, Mitarbeiter lange im Einsatz zu halten. Wir sind da stark im Austausch mit dem Kunden", so Pressesprecherin Irmgard Prosinger. Beim Marktführer beläuft sich die mittlere Beschäftigungsdauer bei Arbeitern auf sechs Monate, bei Angestellten auf zwölf Monate.

Vorsicht beimVertragsabschluss

Anlass zur Kritik bieten häufig die Arbeitsverträge, die Leiharbeiter mit der Anstellung beim Arbeitskräfteüberlasser unterzeichnen. Die Bestimmungen über Einsatzkategorien und Einsatzorte werden dabei in der Regel so weit gefasst, dass dem Leiharbeiter ein sehr großes Maß an Flexibilität abverlangt wird. Immerhin könnte der Leiharbeiter hier vorbauen und etwa auf Tätigkeitsbereiche statt Tätigkeitskategorien und geographisch stärker eingegrenzte Einsatzgebiete drängen.

Als Ausweg aus der Leiharbeit hoffen viele Leiharbeiter auf eine Übernahme durch den Beschäftiger. Anspruch darauf gibt es selbst bei dauerhafter Beschäftigung in einem Unternehmen allerdings keinen. Zudem liegt es kaum im Interesse des Arbeitskräfteüberlassers, seine Leiharbeiter an die Beschäftiger zu verlieren. Denn seinem Kunden verrechnet der Arbeitskräfteüberlasser regelmäßig die vom Mitarbeiter geleisteten Stunden plus eines Zuschlages. Für die Leiharbeiter können derzeit, solange keine gesetzlichen Vorschriften für Übernahmen bestehen, lediglich betriebliche Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Geschäftführung des beschäftigenden Unternehmens Abhilfe schaffen.

Unterm Strich bleibt die Arbeitsrealität der Zeitarbeit für Gesetzgeber, Arbeitskräfteüberlasser und Beschäftiger eine Herausforderung. Vor allem aber für den Leiharbeiter.