Sausgruber: SPÖ hofft auf Erfolg bei Neuwahlen. | ÖVP für SPÖ nur "mehrheitsbeschaffendes Anhängsel". | Große Projekt für Sausgruber nur "große Vokabeln". | "Wiener Zeitung": Bis Mittwoch wollen ÖVP und SPÖ noch versuchen, sich auf eine Wiederaufnahme der Regierungsverhandlungen zu einigen. Wie stehen die Chancen? | Herbert Sausgruber: Ich kann nicht beurteilen, was sich in den Köpfen der Sozialdemokraten abspielt. Bei mir verdichtet sich aber der Eindruck, dass die SPÖ die Volkspartei nicht wirklich als gleichberechtigten Partner anerkennt, sondern lediglich als mehrheitsbeschaffendes Anhängsel. So kann das sicher nicht funktionieren. Offensichtlich rechnet die SPÖ bei Neuwahlen mit einem schönen Erfolg.
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Im Mittelpunkt der Kritik steht aber die ÖVP: Ihr wird vorgeworfen, ihre Wahlniederlage nicht anzuerkennen.
Das stimmt zu einem gewissen Grad schon, aber sehr viel prägender für die jetzige Situation ist sicherlich das - im Verhältnis zum knappen Wahlausgang - übertriebene Selbstbewusstsein der SPÖ.
Für die Vorarlberger ÖVP scheint die SPÖ nicht als Partner in Frage zu kommen. Seit Jahrzehnten regiert im Ländle Schwarz-Blau.
Das war eine Entscheidung, die 1974 getroffen wurde, weil die SPÖ zugleich Regierung und Opposition gespielt hat. Seitdem gab es aber mehrere Angebote an die SPÖ, wieder an der Regierung mitzuwirken. Diese Situation im Land hat aber mit der Bundesebene nicht das Geringste zu tun.
Gesetzt, es kommt eine SPÖ-Minderheitsregierung: Was wird dann aus all den "großen Projekten", die als Begründung für Rot-Schwarz angeführt werden, etwa Verfassungs- und Föderalismusreform oder Bildungs- und Gesundheitsreform?
Das sind alles große Worte. Der Zustand Österreichs ist nicht so, dass mit so großen Worten herumzuwerfen wäre. Natürlich sind immer Korrekturen notwendig, die soll man auch pragmatisch angehen. Große Vokabeln halte ich aber für unpassend, denn Österreich ist in einem guten Zustand. In den letzten Jahren haben Reformen stattgefunden - und sie waren zum Großteil richtig. Nur sind sie von der Bevölkerung bei den Wahlen nicht angenommen worden. Deshalb ist auch der Macht- und Kanzleranspruch der SPÖ gerechtfertigt, aber sicherlich nicht in diesem Ausmaß.
Von außen und innen sieht sich die ÖVP mit dem Ruf nach einem raschen Personalwechsel konfrontiert. Wird der kommen?
Dafür ist jetzt sicherlich nicht die richtige Zeit, zuerst gilt es, die gegenwärtige Situation zu bewältigen. Diejenigen, die das fordern, schwächen unsere Position.
Seit 1986 ist die ÖVP nun in der Regierung. Kann die Partei überhaupt die Oppositionsrolle ausfüllen?
Das wird dann zu beantworten sein, wenn die Entscheidung gefallen ist. Die ÖVP hat aber bewiesen, dass sie beide Aufgaben bewältigen kann.
Die Aussicht, in Opposition zu gehen, erfüllt Sie demnach nicht mit Sorge.
Was heißt Sorge? Man muss sich immer Problemen stellen, wenn sie auftauchen. Aber es ist nicht so, als ob diese Variante nicht bewältigbar wäre.