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In der Silvesternacht wird wieder die Post abgehen. Vor Witwenmachern und Dum-Bum-Böllern wird gewarnt.
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Wien. Fallendes Laub, blinkende Sterne, auseinanderstobende Fische - und das ohne Krach. Feuerwerke müssen nicht unbedingt Lärm erzeugen. Der Wachauer Feuerwerkshersteller Pinto - der einzige noch verbliebene - hat auch leise Produkte im umfassenden Angebot, nur: "Die werden nicht sehr nachgefragt", sagt Geschäftsführer Thomas Köchl im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Zu Silvester wird es also auch heuer zum Leidwesen von Menschen mit empfindlichem Gehör wieder ordentlich zischen, pfeifen und knallen. Rund 10 Millionen Euro werden jährlich vom österreichischen Pyrotechnikhandel mit Raketen, Knallartikeln und Feuerwerken mit die Phantasie anregenden Namen wie Teufelsknaller, Skyfall oder Ladycracker umgesetzt. Das Geschäft rund um Silvester macht etwa 80 Prozent des Jahresumsatzes aus.
Trend zu Batteriefeuerwerken
"Der Trend geht weg von Raketen hin zu Batteriefeuerwerken, die einfach zu bedienen sind", sagt Köchl. Der 43-Jährige ist seit seinem 21. Lebensjahr leidenschaftlicher "Feuerwerker" und seit acht Jahren Alleingeschäftsführer von Pinto. Die Liebe verschlug seinen Ur-Urgroßvater Vinzenz Pinto im Jahr 1933 von Neapel in die Wachau, wo der Familienbetrieb heute mit durchschnittlich zehn bis 15 Mitarbeitern - allesamt Pyrotechniker - Raketen-Prototypen entwickelt, Produkte in Handarbeit herstellt und zertifiziert. Pinto lässt aber auch im Süden von China fertigen, wo die Herstellung kostengünstiger ist. Dabei achtet Köchl darauf, dass es bei seinen Lieferanten mit rechten Dingen zugeht. "Unter 16 arbeitet da keiner", betont er. Vor allem im Norden Chinas würden Feuerwerksartikel oft in Heimarbeit hergestellt, auch von Kindern.
Auch heuer müssen Ärzte und Krankenhäuser zum Jahreswechsel wieder mit zahlreichen Pyrotechnikunfällen rechnen. Laut Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) verletzen sich jährlich rund 200 Menschen durch unsachgemäßen Umgang mit Raketen und und Knallkörpern so schwer, dass sie nach einem Unfall nochmals zur Nachbehandlung ins Krankenhaus müssen. Die meisten Unfälle ereignen sich in den Stunden rund um Silvester. Betroffen sind fast ausschließlich junge Männer, die mit Knallkörpern und Raketen hantieren. "95 Prozent davon sind Artikel, die nicht in Österreich gekauft wurden", weiß Köchl.
Besonders gefährlich seien Böller aus dem benachbarten Ausland, die in Österreich nicht zugelassen sind. "Die Jugendlichen fahren am Wochenende über die Grenze nach Tschechien, teilweise schon im November, weil da die Behörden noch nicht kontrollieren, und holen sich Sachen wie Dum Bum, La Bomba oder Witwenmacher, die bei uns verboten sind", so Köchl. In Österreich würden diese Artikel eigentlich schon als Sprengkörper gelten.
Erst kurz vor Weihnachten wurden ein 18-jähriger Niederösterreicher und ein 20-jähriger Oberösterreicher in Enns im Bezirk Linz-Land beim Zünden eines Knallers verletzt. Das Duo hatte 40 Stück pyrotechnische Artikel in Tschechien gekauft und sie nach Österreich gebracht. Anfang Dezember hatte sich bei einem Perchtenlauf in Ramsau (Bezirk Lilienfeld) ein schwerer Unfall mit einem Böller ereignet. Dieser war in der Hand eines 16-Jährigen explodiert, dem dabei mehrere Finger abgerissen wurden. Der Knallkörper war ebenfalls in Tschechien gekauft worden. Auch Augenverletzungen kommen immer wieder vor.
Unfälle lassen sich vermeiden
Hobby-Pyrotechniker, die auch nach Silvester noch im Besitz aller zehn Finger sein wollen, sollten nur geprüfte und zugelassene, Produkte verwenden und sofort nach dem Zünden auf Abstand gehen. Überhaupt empfiehlt es sich, die Gebrauchsanleitung zu lesen, und zwar noch in nüchternem Zustand. "Learning by doing" könnte sich nämlich fatal auswirken.
"Raketen brauchen eine standsichere Abschussrampe", sagt Köchl. Wer Raketen in den Schnee steckt, riskiert, dass sie festfrieren und am Boden losgehen. Idealerweise ist der Anwender dann weit genug weg. Niemals auf Menschen zu zielen oder bereits gezündete Feuerwerkskörper nicht in den Händen zu behalten, sollte sich von selbst verstehen. Wenn eine Rakete einmal nicht zündet, sollte man sie erst einmal zehn Minuten aus sicherer Entfernung beobachten. Auf keinen Fall sollten Blindgänger neu angezündet werden.
Batteriefeuerwerke brauchen keine Abschussvorrichtungen, denn sie enthalten bereits Abschussröhren und sind sofort einsatzbereit. Besonders viele Effekte können mit einem Verbundfeuerwerk erzielt werden. Es handelt sich dabei um eine Kombination von mehreren Batterien, wo jede maximal 500 Gramm Effektladung inklusive Ausstoßladung haben darf. Somit dürfen vier mal 500 Gramm Batteriefeuerwerk gemeinsam vom Feuerwerkshersteller verbunden werden, ohne dass sich die Kategorie ändert. Das Verbundfeuerwerk ist daher ab 16 Jahren freigegeben, obwohl die Menge mit 2000 Gramm normalerweise Kategorie 4 wäre und nur ein Pyrotechniker diesen Artikel benutzen dürfte. Möglich wurde das durch die Novelle des Pyrotechnikgesetzes, das am 1. Juli 2015 in Kraft getreten ist. Die größte Batterie von Köchl hat 396 verschiedene Effekte, bei einem Gewicht von 27 Kilo.
Wer noch die Schweizer Kracher älterer Generationen zuhause bunkert, sollte das nicht an die große Glocke hängen. Seit 2017 sind Besitz und Anwendung von Blitzknallsätzen mit Aluminiumpulver wegen des unzumutbaren Lärms und der erhöhten Verletzungsgefahr verboten. Wer beim Zünden eines verbotenen Krachers erwischt wird, muss mit einer Geldstrafe von mehreren tausend Euro rechnen. Seit Juli 2013 bestand bereits ein Verkaufsverbot. Weiterhin erlaubt sind Schweizer Kracher, die als Knallsatz nur Schwarzpulver enthalten. Aber auch das Zünden ist im Ortsgebiet und innerhalb oder in unmittelbarer Nähe von größeren Menschenansammlungen, Kirchen, Krankenhäusern und bestimmten anderen Orten verboten und strafbar.
Dicke Luft in den Städten am Tag danach
Wieder nicht krachen wird es heuer in Graz, zumindest nicht offiziell. Bis 2014 war es jahrelange Tradition, zu Silvester ein Feuerwerk auf dem Schlossberg zu veranstalten. Wegen der hohen Feinstaubwerte nahm man davon Abstand. Nach vier Silvesternächten ohne Feuerwerk gibt es dieses Jahr vor der Kulisse des Grazer Rathauses eine feinstaubfreie Wasser- und Lichtshow. Das Abhalten privater Feuerwerke wird aber nicht zu verhindern sein.
Vor allem in den Städten steigen nach Silvester die Feinstaubwerte und die Luft ist zum Schneiden. 2014 behauptete der Österreichische Verein für Kraftfahrzeugtechnik (OEVK) unter Berufung auf eine Studie, die durch Pyrotechnik freigesetzte Menge an Kleinstpartikeln zu Silvester sei ähnlich hoch wie jene des jährlich durch den Straßenverkehr abgesonderten Feinstaubs. Der OEVK kam auf rund 400 Tonnen Feinstaubpartikel mit einem Durchmesser von unter zehn Mikrometern (PM10) - sowohl bei Pkw und Lkw wie auch beim Silvesterfeuerwerk.
Die Österreichische Luftschadstoffinventur aus dem Jahr 2015 ergab jedoch ein davon abweichendes Ergebnis: Demnach wurden 2014 aus dem gesamten Straßenverkehr 5025 Tonnen PM10 emittiert, bei Feuerwerken kam man hingegen insgesamt auf rund 300 Tonnen PM10 in diesem Jahr.
Auch Pinto-Chef Köchl relativiert. Es mache einen Unterschied, ob jemand einmal im Jahr kurz einer größeren Menge an Feinstaub ausgesetzt sei oder das ganze Jahr über. Während Autos die Hauptverkehrsstraßen dauerhaft mit Feinstaub verpesten, sei die Belastung durch ein Silvesterfeuerwerk nur für kurze Zeit messbar: "Dann ist es weg."
Wie schnell die Feinstaubbelastung nach dem Silvesterfeuerwerk abklingt, hängt vor allem vom Wetter ab. Regen, Schnee oder Wind waschen die Schmutzpartikel schnell wieder aus. Feinstaub ist auch nicht gleich Feinstaub. Bei PM10 handelt es sich um Partikel, deren Durchmesser kleiner als 10 m (Mikrometer) ist. PM2,5 und PM0,1 (Ultrafeinstaub) sind noch kleiner und für die Gesundheit gefährlicher. PM10 gelangt nur bis in die oberen Atemwege und kann abgehustet werden, ultrafeine Dieselruß-Partikel hingegen dringen tief in Lunge und Blutbahn ein, wo sie chronische Mikroentzündungen der Organe verursachen können.
Knallerei macht Vierbeinern Angst
Nicht nur wegen des Feinstaubs würden sich viele Menschen über Silvesterpartys ohne Raketen und Feuerwerk freuen. Dazu zählen neben ruhebedürftigen Kranken und alten Menschen auch Hunde- und Katzenbesitzer. Ihre Lieblinge leiden in der Silvesternacht ganz besonders, weil sie wesentlich besser als Menschen hören und daher auf die Knallerei mit Panik reagieren.
Der Verein Vier Pfoten rät, mit den Tieren zu Hause zu bleiben oder mit ihnen in eine ruhige Gegend außerhalb der Stadt zu fahren. Durch verdunkelte Fenster können Lichteffekte nicht in die Räume dringen. Beruhigende Musik in angepasster Lautstärke dämpft zusätzlich die Geräuschkulisse des Feuerwerks und trägt zur Beruhigung des Vierbeiners bei. In bewohnten Gebieten sollten Hunde angeleint ausgeführt werden, denn durch verfrühte Kracher könnten sie vor Schreck davonlaufen.
Die Verwendung von Silvesterknallern und Feuerwerkskörpern der Kategorie F2 - zum Beispiel Knallfrösche oder Batteriefeuerwerke, die Jugendliche ab 16 Jahren kaufen und verwenden dürfen - ist grundsätzlich innerhalb größerer Menschenansammlungen beziehungsweise in ihrer unmittelbaren Nähe verboten. Sie dürfen nur in abgegrenzten Bereichen im Freien verwendet werden.