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Das Sorgenkind rückt ins Mittelfeld

Von Walter Hämmerle

Europaarchiv

Neue Umfrage zu EU-Österreich präsentiert. | EU-Stimmung wird besser, aber höhere Skepsis bei Frauen und Älteren. | Krise im Kopf der Leute angekommen. | Wien. Die Österreicher und die EU: Die Zeichen stehen gut, dass diese seit langem desolate Beziehung zu so etwas wie einem vernünftigen Modus vivendi finden könnte. Der Konjunktiv ist dabei durchaus angebracht, denn erstens handelt es sich dabei nur um eine demoskopische Momentaufnahme im Rahmen der EU-weiten Eurobarometer-Umfrage, und zweitens finden sich auch in dieser Studie genügend Hinweise auf ein massiv gestörtes Verhältnis.


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Aber zunächst zum Positiven der Umfrage, für die in der Zeit vom 12. Juni bis zum 3. Juli - und damit unmittelbar nach der EU-Wahl vom 7. Juni - insgesamt 1015 Personen ab 15 Jahren persönlich interviewt wurden, die Schwankungsbreite beträgt 2 Prozent (EU-weit wurden 27.000 Personen befragt): Der Anteil der EU-Befürworter ist zum dritten Mal in Folge gestiegen und liegt nun bei 41 Prozent, im Herbst lag dieser Anteil bei 39 Prozent.

Damit liegt Österreich zwar noch immer 12 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt der EU-27, wo im Vergleich zur Frühjahrsumfrage unverändert 53 Prozent der Bürger die EU für eine gute Sache halten; allerdings hat sich die Kluft deutlich verringert: Im Frühjahr 2007 betrug der Abstand noch 20 Prozentpunkte. Richard Kühnel, Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Wien, interpretiert dieses Ergebnis mit einem Bild aus dem Radsport: "Wir haben uns von der Schlussgruppe gelöst und haben zum Mittelfeld aufgeschlossen." Ob auch hier, wie im Radsport ansonsten üblich, Doping mit im Spiel war, ließ Kühnel aber offen.

Nichts geändert hat sich demgegenüber an den demographischen Details der EU-Skepsis: Nach wie vor sind Frauen kritischer als Männer, Ältere kritischer als Jüngere. Die Einstellung zur EU-Mitgliedschaft und das Vertrauen in die EU-Institutionen korreliert dabei direkt mit dem Grad des Bildungsabschlusses: je höher, desto positiver.

Impotentes Österreich

Bemerkenswert negativ ist das Bild der Österreicher vom Einfluss des eigenen Landes in der EU: Hier sind nur 46 Prozent der Überzeugung, die Stimme Österreichs zähle in der Union - im EU-Durchschnitt sind es dagegen 61 Prozent. "Ein wirklich bescheidener Wert", wie auch Kühnel zugesteht. Dabei lässt sich dieser Wert mit der Größe nicht erklären, da etwa die Bürger Dänemarks oder Schwedens vom Einfluss ihres Landes sehr viel mehr überzeugt sind.

Keine Angaben finden sich in der Studie, ob die Gründe für diese österreichische Skepsis im Verhalten der nationalen Politik oder Brüssels zu suchen sind. Kühnel jedenfalls betonte pflichtbewusst die führende Rolle Wiens bei Themen wie Bankenhilfe für Osteuropa, Umweltschutz oder sozialen Rechten. Trotzdem glauben nur 36 Prozent der Bürger, dass die Interessen Österreichs in der EU gut berücksichtigt werden - im EU-Schnitt sind es immerhin 44 Prozent. Einig sind sich die Österreicher (37 Prozent) dagegen mit dem EU-Schnitt (38 Prozent) über den Einfluss der individuellen Stimme in der EU.

Euro als Bindeglied

Zum stärksten Bindeglied der Österreicher nach Brüssel ist mittlerweile der Euro avanciert, was die oft gehörte Kritik an der Einheitswährung als "Teuro" zumindest relativieren dürfte. 71 Prozent erachten den Euro als zentrales Politikfeld der Union, im EU-Durchschnitt sind dies lediglich 61 Prozent. In Österreich weckt die Währung auch mit 55 Prozent die stärksten Assoziationen mit der EU. Dahinter folgen ex aequo mit 46 Prozent die Reise-, Studier- und Arbeitsfreiheit sowie die gestiegene Kriminalität. Letzteres dürfte wohl auch die im Vergleich nach wie vor überproportionale Skepsis der Österreicher gegenüber weiteren Erweiterungsschritten erklären: Nur 25 Prozent sehen darin ein zentrales Politikfeld der EU - in den EU-27 sind es 43 Prozent. Ähnlich kritisch sind ansonsten nur noch Deutsche, Franzosen und Luxemburger.

Rapide verschlechtert hat sich auch die Einschätzung der aktuellen Wirtschaftslage: 63 Prozent bezeichnen diese nunmehr als eher schlecht, im Herbst 2008 waren erst 38 Prozent dieser Meinung. Allerdings wird die persönliche wirtschaftliche Situation nach wie vor überwiegend positiv bewertet: Ein optimistisches Paradoxon nennt dies Studienautor Harald Pitters von Gallup.