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Das "sozial" in Social Media

Von Christina Böck

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Ob eine TV-Sendung heute noch von Bedeutung ist, zeigt sich nicht etwa an ihrer Quote. Nein, das zeigt sich jetzt daran, mit wie viel Aufmerksamkeit eine TV-Sendung auf Twitter beschenkt wird. Der "Tatort" ist zum Beispiel so ein Kandidat, den Menschen - so sie multitaskingfähig sind - allein in Gesellschaft anschauen. Auch bei der samstägigen Ausgabe von "Wetten, dass . . ?" ging es auf der Kurznachrichten-Plattform rund. Grob geschätzt waren wohl drei Viertel dieser Twitterer Menschen, die, wenn man sie fragt, sagen würden, dass sie Samstagabend natürlich etwas Besseres zu tun haben, als eine überwuzelte Spielshow anzuschauen.

Nun lässt diese Entwicklung tatsächlich, auf eine zugegeben sehr nerdige Art, das "sozial" in Social Media hervorstechen. Weniger sozial war freilich, dass die Twittergemeinde sich geschlossen auf den Teenager stürzte, der in der Show Berliner S-Bahnstationen auswendig aufsagte. Einträge wie "Nächste Station: Kinderpsychiatrie" kamen da zuhauf, es wurde dem Burschen auch unverhohlen Gewalt angedroht. Ein astreiner Shitstorm, wie man neudeutsch sagt. Alltäglich in einer virtuellen Welt, in der man sich schnell und folgenlos entladen kann. Ob man das unbedingt bei einem Zehnjährigen auch machen muss, ist mehr als fraglich. Man kann schwerlich einem Kind vorwerfen, dass es sich kindisch verhält. Bei den erwachsenen Wettkandidaten hat sich kaum einer die Frage gestellt, ob sie irgendwie seltsam sind. Dabei, ganz ehrlich: Die meisten werden wohl das letzte Mal als Kinder gedacht haben, sie könnten doch zu "Wetten, dass . . ?" gehen.