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Das Spiel der Brauen

Von Alexandra Grass

Wissen

Beim Frühmenschen verdeutlichten Augenbrauen Dominanz, heute dienen sie der Kommunikation.


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York/Wien. Ob hochgezogen oder zusammengekniffen - Augenbrauen bringen Dominanz, Überraschung, Angst, Wut oder auch die Bereitwilligkeit gegenüber dem anderen Geschlecht zum Ausdruck. Sie sind ein wesentliches Merkmal des Menschen, um selbst Emotionen zu zeigen, beziehungsweise auch auf solche beim Gegenüber zu schließen. Das passiert quer über alle Kulturen hinweg. Der Einsatz der Augenbrauen im Alltag könnte in frühester Vergangenheit auch eine entscheidende Rolle im Überleben des Menschen eingenommen haben, berichten nun Evolutionsforscher der University of York.

Wie das Geweih eines Hirsches waren besonders ausgeprägte, nahezu starre Augenbrauen mit den dicken hervortretenden Brauenknochen bei den frühen Vorfahren ein Signal von starker Dominanz und Aggression. Erst mit der Wandlung der Schädelstruktur des modernen Menschen hin zu einer flacheren Stirn mit wesentlich weicheren und beweglicheren Augenbrauen wurde das uns heute bekannte Brauenspiel gefestigt. Dieses ermöglicht uns vor allem eine bessere Kommunikation in zwischenmenschlichen Beziehungen und sozialen Netzwerken, betonen die Forscher im Fachblatt "Nature Ecology and Evolution".

Zwei Theorien

"Der Blick auf andere Tiere eröffnet uns Hinweise darauf, welche Funktion die Augenbrauen in der Vergangenheit eingenommen haben könnten", erklärt Seniorautor Paul O’Higgins in der Studie. Bei Mandrillen etwa, einer Primatenart aus der Familie der Meerkatzenverwandten, demonstrieren dicke Geschwülste seitlich an den Schnauzen den Status der jeweiligen männlichen Tiere. Gesteuert wird deren Ausprägung hormonell. Diese Besonderheit zeige sich auch in den Augenbrauenknochen des frühen Menschen, betont der Forscher.

Das Wissenschafterteam hat für seine Untersuchung den Kabwe 1 genannten fossilen Schädel, bekannt als Homo rhodesiensis, herangezogen. Er zählt zu einer Spezies, die vor 200.000 bis 600.000 Jahren lebte. Für diese ausgeprägten Knochen unter den Brauen gibt es den Forschern zufolge gleich zwei Theorien. Einerseits würden sie die Verbindung zwischen dem flachen, schmalen Stirnknochen und den Augenhöhlen herstellen. Andererseits stabilisierten sie den durch kraftvolle Kaubewegungen beeinflussten Schädelknochen, heißt es in der Studie. Die Forscher hatten für ihre Untersuchungen eine spezielle Software benutzt, um etwa diese Kaubewegungen zu simulieren.

In den vergangenen 100.000 Jahren wurden unsere Gesichter kleiner. Der Prozess beschleunigte sich den Forschern zufolge in den letzten 20.000 Jahren und noch schneller, als der Mensch den Weg vom Sammler und Jäger zum sesshaften Bauern vollzog. Es festigte sich damit ein Lebensstil, der weniger Abwechslung in Bezug auf Ernährung und körperliche Anstrengung brachte.

Wirkung von Botox

"Der moderne Mensch ist der letzte überlebende Menschenaffe. Während die Neandertaler ausgestorben sind, kolonialisieren wir nach wie vor den Globus und überleben unter extremsten Bedingungen. Das hat viel mit unserer Fähigkeit zu tun, große Netzwerke unter Menschen zu bilden und mit ihnen durch harte Zeiten zu gehen", betont Penny Spikins vom Department of Archaeology der University of York. Die Augenbrauen nehmen dabei eine wohl wichtige Rolle ein.

Diese Bedeutung zeigt sich auch anderweitig. So haben Forscher bereits nachgewiesen, dass Menschen, die sich auf der Stirn den Wirkstoff Botox spritzen lassen, weniger in Lage sind, die Gefühle anderer zu deuten und sich damit zu identifizieren. Da Botulinumtoxin nicht nur die Falten glättet, sondern auch Muskeln ruhig stellt und damit praktisch die Gesichtsmimik lahmlegt, werden auch die Bewegungen der Augenbrauen, wenn überhaupt, nur noch sehr reduziert möglich.