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Das Spiel in der Wüste

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Es ist die Verweigerung von Eindeutigkeit, die Katar am besten beschreibt. Die WM ist Mittel zu diesem Zweck.


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Zur Fußball-WM in einem Wüstenstaat am Persischen Golf hat praktisch jede und jeder eine eindeutige Haltung. Die meisten in Europa sehen das kritisch, werden aber wohl trotzdem das größte Sportspektakel der Welt mehr oder weniger intensiv verfolgen; der große Rest der Welt freut sich einfach auf die Spiele.

Es ist diese kategorische Verweigerung von Eindeutigkeit, die Katar, das Gastgeberland, wohl am besten beschreibt. Kaum etwas bringt dieses Verhaltensprinzip des Emirats, das etwas kleiner ist als Oberösterreich, besser auf den Punkt als der Umstand, dass Katar bis 2021 sowohl die Führungsriege der afghanischen Taliban wie auch die größte US-Militärbasis in der Region beherbergte. Im Land am Hindukusch lieferten die beiden einander bis zum chaotischen Abzug des Westens einen erbitterten und jahrzehntelangen Kampf um Land und Menschen.

Der Staat Katar - besser: dessen herrschende Elite - existiert im politischen Bewusstsein, dass man sich den Luxus einer eindeutigen Ausrichtung nicht leisten kann. Und die Austragung der Fußball-WM ist ein - wenngleich enorm kostspieliger - Mosaikstein dieser Überlebensstrategie in einer Region, wo Boykott, Krieg und Eroberung nie aufgehört haben, zum anerkannten politischen Repertoire zu gehören.

Die Empörung darüber, dass die Vergabe der WM offensichtlich gekauft wurde und die Menschenrechte so gar nicht unseren Standards entsprechen, spiegelt dabei einen westlich-europäisch zentrierten Blick wider. Für Katar ist die WM ein Mittel zum Zweck, die nationale Souveränität in alle Richtungen abzusichern. Durch Investitionen und Netzwerke, die möglichst breit ausgerichtet sind und einseitigen Abhängigkeiten entgegenwirken.

Und was ist mit dem Fußball, diesem wunderbaren Sport, der Begeisterung weckt, egal, ob er mit einem zusammengenähten Fetzenlaberl auf einem Acker oder mit einem Hightech-Ball vor Millionenpublikum gespielt wird? Falsche Frage. Es geht Katar nicht um Fußball, sondern um Vernetzung (so wie es zuvor Russland und China mit Olympia um Prestige ging). 2023 folgt das Asien-Turnier, 2030 folgen die noch größeren Asien-Spiele und vielleicht einige Jahre später sogar einmal Olympia.

Europäische und südamerikanische Liebhaber des Fußballs mag der Zugang Katars (und aller seiner Nachfolger) irritieren. Ihr Lieblingssport ist ihnen über den Kopf gewachsen, dafür hat die so geschäftstüchtige wie intransparente Fifa gesorgt. Lamentieren ist zwecklos, das Geld fließt schließlich in alle Taschen. Und das Spiel ist geduldig, eben weil es so hartnäckig faszinierend ist.