Guido Westerwelle gibt das Amt des Vizekanzlers ab und will als FDP-Vorsitzender nicht mehr antreten. Damit ist der Posten in der FDP-Spitze im Mai während des FDP-Parteitages in Rostock neu zu besetzen.
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Außenminister Westerwelle traf diese Entscheidung nur gut zwei Stunden nach seiner Rückkehr aus Asien am Montagabend. Das zeigt, wie groß der parteiinterne Druck auf ihn gewesen sein muss. Als Nachfolger werden der 38-jährige Gesundheitsminister Philipp Rösler und der Generalsekretär Christian Lindner (32 Jahre) gehandelt.
Der Niedergang von Westerwelles Stern begann mit seinem Eintritt ins Auswärtige Amt - und das, so widersinnig es auch klingen mag - im Zenit seines Erfolgs. Mit dem bislang besten FDP-Bundestags-Ergebnis von 14,6 Prozent hatte er seine Partei in die Wunschkoalition mit der CDU/CSU geführt und Angela Merkel die Kanzlerschaft gesichert. Doch mit dem Ministeramt offenbarten sich Westerwelles Schwächen. Die darin lagen, dass ihm die Gabe des Regierens nicht gegeben ist. In der Opposition darf man die Ärmel schon einmal hochkrempeln und mit der Peitsche in den Reihen der Regierung herumknallen. Im Amt des Außenministers jedoch ist Zurückhaltung und Augenmaß fürs Machbare gefordert. Eigenschaften, die Westerwelle nicht hat.
Von Anfang an ließ er keine Gelegenheit aus, zu polarisieren. Als Außenminister "holzte" er in der Innenpolitik und sorgte für Verstimmung im Regierungslager. Von spätrömischer Dekadenz war die Rede, als es um die Aufstockung der Hartz-IV-Sätze ging. Westerwelle eröffnete Nebenkriegsschauplätze überall dort, wo er FDP-Wahlgeschenke als uneinlösbar erkannte. Mehr "Netto" vom "Brutto" sollte bleiben, Leistung sich lohnen und die Steuern sinken - was blieb waren Steuergeschenke an die Hoteliers. Die Partei und die Wähler hörten dem begnadeten Debattenredner nicht mehr zu. Sie hatten die Schlachterrhetorik satt. Westerwelle verschärfte daraufhin nur den Ton und versuchte, freidemokratische Bastionen zu halten, die von seinen Parteifreunden schon längst aufgegeben worden waren. Nach seiner Rückkehr aus Japan muss ihm klar geworden sein, dass er keine Wahl mehr hat. Er fügte sich in sein Schicksal - widerwillig. Sein einstiges Ziel, die FDP aus ihrer Rolle als Funktionspartei in eine Partei des ganzen Volkes zu wandeln war gescheitert.
Der Ausgang der Wahlen in Rheinland- Pfalz und in Baden-Württemberg hat den Faden endgültig zum Reißen gebracht. Für die FDP geht es längst nicht mehr nur um Westerwelle. Es geht um ihre Existenz. Ein "Weiter so" wird von den Wählern nicht mehr akzeptiert. Erst die Stimmenthaltung des deutschen Außenministers Westerwelle vor dem UN-Sicherheitsrat in der Libyenkrise, dann der 180-Grad-Schwenk im Gefolge der Kanzlerin in der Atompolitik und ein angeblicher Geheimdeal mit Iran, um zwei Journalisten freizubekommen. Das ist zu viel. Die Frage ist denn nicht, wie viel Westerwelle hält die FDP noch aus, sie lautet: Wie viel Westerwelle erträgt der Wähler noch. Bei ihrer derzeitigen Neuausrichtung ist die FDP im Begriff, einen kapitalen Fehler zu begehen, indem sie einfach den Nachwuchs in die vordere Reihe schiebt. Die angeblichen Jungstars werden das Image der Klientelpartei aber nicht entkräften können. Zumal Gesundheitsminister Philipp Röslers Meisterstück, die Gesundheitsreform, nichts anderes ist als ein Zweiklassen-Gesundheitssystem, das die Versicherten obendrein noch teuer zu stehen kommt. Der Mann ist "vorbelastet" und steht eben für ein "Weiter so". Die Gnade der späten Geburt allein reicht nicht. Auch Generalsekretär Christian Lindner hat bisher noch keine sichtbaren Fußabdrücke in der politischen Landschaft hinterlassen. Wie soll er auch mit 32 Jahren.
Die FDP braucht eine Radikalkur, um aus dem Umfragetief zu kommen. Westerwelle muss weg! So unschön es klingen mag. Er ist das Problem. Er hat die Partei aus der Opposition mit 14,6 Prozent in die Regierung geführt und sie aus dem Ministerstuhl heraus auf unter 5 Prozent abgewirtschaftet. Westerwelles Schwäche ist in seiner Person begründet. Sein introvertiertes Wesen lässt keine Verbindung mit irgendwelchen FDP-Prinzipien zu. Das ist die Tragik des Guido Westerwelle. Die Menschen verbinden ihn erst an zweiter Stelle mit der Partei - zu allererst sehen sie in ihm den Spaß-Guido, der bei der Wahl der Mittel, um an die Macht zu kommen, vor nichts zurückschreckt. So fuhr Westerwelle mit dem Spaßmobil durch die Lande, nahm im Big-Brother-Container Platz, malte sich 18 Prozent unter die Schuhsohle - alles nur, um den Wähler zu beeindrucken. Eine Rückkoppelung auf die Person Westerwelle war nicht möglich. Das ist die Tragik dieses Mannes, dessen Verdienste um die FDP unumstritten sind.
Das Hauen und Stechen hinter den Kulissen hatte zuletzt etwas Unwürdiges, auch die Versuche Westerwelles, sich aus der Schusslinie zu bringen, indem er Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und die FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger den Schwarzen Peter für die Wahlblamagen in den beiden Bundesländern zuschob. Westerwelle hat nur noch eine Option - und er ist zu klug, das nicht zu wissen. Wenn die Jugend es schon richten soll, dann kann sie das nur ohne ihn. Ein Rückzug in Würde, auch vom Amt des Außenministers, das wäre ein staatsmännischer Akt, wie er ihn bisher noch nicht vollzogen hat.
Alexander von der Decken ist Allround-Redakteur beim "Weser Kurier" in Bremen